Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
denn, während du den großen Kellerdieb gespielt hast?«
»Ich hab gar nicht so viele Sachen mitgehen lassen, und die meisten erst in diesen letzten Wochen, als du schon nicht mehr mit mir gesprochen hast.«
Ich dachte an diese Zeit nach dem Halloween-Ball zurück. Dank der Merkwürdigkeit dieses Abends hatten Archer und ich viele Stunden Kellerdienst damit verbracht, einander aus dem Weg zu gehen. Kein Wunder, dass er sich da diverse magische Dinge in die Taschen stopfen konnte.
»Hast du dich deswegen etwa in Vandys Kurs für mich eingesetzt? Hattest du von Anfang an gehofft, Kellerdienst schieben zu müssen, nur damit du was klauen konntest?«
Archer, der sich den Waldboden vom Hemd klopfte, schüttelte jedoch den Kopf. »Ob du’s glaubst oder nicht, Mercer, ganz so berechnend bin ich nun auch wieder nicht. Ich hab der Vandy die Stirn geboten, weil mir einfach danach war. Die Gelegenheit, mir ein paar Sachen aus dem Keller zu schnappen, war eben noch ein kleines Extra.« Er drehte mir den Rücken zu und marschierte los. »Und jetzt komm. Es ist ein langer Weg.«
»Warum kannst du mir nicht einfach erzählen, was los ist?«, fragte ich ihn, während wir das Wäldchen verließen.
»Weil ich nicht sicher bin, ob du mir glauben würdest, wenn ich es täte. Besser, du siehst es selbst.«
Diesen Teil von Graymalkin Island hatte ich noch nicht kennengelernt, und ich war überrascht, wie sehr sich die Vegetation von jener rund um Hecate unterschied. Hier liefen wir nicht auf saftigem, smaragdgrünem Gras, und hier wuchsen auch keine majestätischen Eichen. Die einzigen Pflanzen waren ein paar kümmerliche Kiefern und dichte, unbestimmbare Büsche. Der Boden bestand aus feuchtem Sand und Steinen, und der Geruch verriet mir, dass wir uns in der Nähe des Meeres befinden mussten. Und tatsächlich, als wir eine Anhöhe erreicht hatten, breitete sich direkt vor uns der Ozean aus, und sanfte Wellen plätscherten ans Ufer. Der Mond war fast voll und warf ein breites Band aus silbrigem Licht auf das schwarze Wasser.
»Wo sind wir? Also, ich meine, von der Schule aus gesehen.«
»Am anderen Ende der Insel«, erwiderte er.
»Es sieht hier so anders aus.«
Archer blickte mich über seine Schulter hinweg an. »Das liegt an dem Zauber, mit dem das Schulgelände belegt ist. Jessica Prentiss hat ihn gewirkt, als sie das Haus erbaute. Anscheinend hatte sie Heimweh, denn es sieht genauso aus wie ihr Elternhaus in Louisiana, sogar die Gartengestaltung.« Er hielt inne. »Jetzt mal im Ernst, Mercer, hast du denn in keinem unserer Kurse aufgepasst?«
»’tschuldigung. Da hab ich mich wohl zu sehr von all diesen sterbenden Leuten ablenken lassen.«
Abrupt blieb er stehen. »Fairerweise sollte man wohl dazusagen«, bemerkte er in einem lockeren Tonfall, aber mit angespannten Schultern, »dass nur eine Person gestorben ist. Elodie.«
Nun standen wir beide wie erstarrt auf diesem kleinen Hügel, nur wenige Schritte voneinander entfernt, mit Blick aufs Wasser. »Dann weißt du also davon.«
Er nickte. »Ja. Wir, äh, haben vor ein paar Monaten einen Bericht über diese ganze Geschichte bekommen.« Er rieb sich den Nacken und drehte sich um, starrte aufs Meer. »Ich war nicht … das Ganze war nie echt. Sie und ich. Zumindest nicht von meiner Seite. Und es gab Tage, an denen ich das Gefühl hatte, bald wahnsinnig zu werden, wenn ich mir noch länger ihr Gerede über Schönheitszauber oder Schuhe anhören müsste. Aber als ich dann den Bericht gelesen hab …« Er ließ den Kopf sinken und gab einen Laut von sich, der ein Lachen hätte sein können, wenn er nicht so traurig gewesen wäre. »Das war wie ein Schlag in die Magengrube, weißt du?«
Obwohl er mir den Rücken zuwandte, nickte ich. »Ja.«
»Es fällt einfach schwer zu glauben, dass jemand wie sie tatsächlich tot sein soll.«
Ich erinnerte mich daran, wie Elodies Geisteraugen direkt in meine geblickt hatten, wie sie mir kurz zugenickt hatte. Und ich spielte mit dem Gedanken, ihm zu erzählen, dass Elodie unter Umständen etwas weniger tot war, als alle dachten.
Doch dann schüttelte Archer den Kopf und ging weiter den Pfad hinunter bis zum Strand. Ich folgte ihm und knirschte mit den Zähnen, als sich meine Schuhe mit Sand füllten. »Und warum warst du dann mit ihr zusammen?«
»So lautete meine Anweisung.«
»Vom Auge?«
»Nein, von den Pfadfindern. Bei der Vergabe des Hexen-Verführer-Abzeichens wurde ich leider immer übergangen.«
»Na ja, dafür müsstest
Weitere Kostenlose Bücher