Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
beunruhigend. »So ist Hecate nicht«, protestierte ich schwach – allerdings mehr für mich selbst als tatsächlich gegen ihn.
»Ach, nein? Wirk doch mal irgendeinen Beleuchtungszauber!«
Ich hob die Hand, und im nächsten Augenblick erschien eine leuchtend blaue Lichtkugel, die das umliegende Gebiet erhellte. Ich schnappte nach Luft. Dieser Teil des Waldes sah aus, als wäre hier ein kleiner Meteorit eingeschlagen. Wir standen am Rande eines Kraters, der ungefähr drei Meter tief war und einen Durchmesser von bestimmt zehn Metern hatte. Überall um uns herum lagen umgestürzte Bäume, einfach abgebrochen wie Streichhölzer. Und die Bäume, die noch standen, waren allesamt angesengt und verkohlt.
Aber das war längst nicht alles. Eine dunkle Magie – dunkler als alles, was ich je gespürt hatte – knisterte förmlich überall. Es war, als hätte man den ganzen Bereich darin eingelegt. Die Magie quoll aus der Erde unter meinen Füßen, und in der Luft konnte ich sie praktisch schmecken.
Auf dem Grund des Kraters lag ein großer, flacher Stein, in den irgendetwas eingeritzt war. Ich wischte mit den Fingern, und die Kugel wurde größer und heller, bis ich die Zeichen erkennen konnte.
Eine solche Schrift hatte ich bisher nur ein einziges Mal gesehen – in dem Grimoire.
»Jetzt weißt du auch, warum ich es dir zeigen wollte«, bemerkte Archer leise. »Wer auch immer Dämonen beschwört, er tut es hier.«
30
»Das ist übel«, war alles, was ich herausbrachte.
»Ja, das ist mir irgendwie auch schon aufgefallen.«
»Nein, ich meine, richtig übel. Und zwar in einem Ausmaß, das ich nie für möglich gehalten hätte.«
Archer ging am Kraterrand in die Hocke, und das blaue Licht flackerte verspielt in seinen Augen. »Und es wird noch übler.«
»Bitte? Frisst diese Grube etwa auch kleine Kätzchen oder was? Wie viel schlimmer kann es denn noch kommen?« Ich starrte den flachen Stein an und musste ob der Macht, die mir von den Markierungen entgegenstrahlte, blinzeln.
»Seit meiner Zeit in Hex Hall habe ich viele Nachforschungen über die Geschichte der Schule angestellt. In den letzten achtzehn Jahren sind mindestens sechs Schüler spurlos verschwunden.«
Ich riss mich von dem Blick in die Tiefe los und drehte mich wieder zu Archer um. Meine Knie waren so weich wie Gummi, und vor Grauen drehte sich mir der Magen um, aber dennoch zwang ich mich, des Teufels Advokaten zu spielen. »Das sind gar nicht so viele. Warst du schon mal an einer dieser großen Menschenschulen, Cross? Einige von denen verlieren sechs Kinder schon allein in, sagen wir, in einer Woche.«
»Sophie, zwei dieser Kinder waren Anna und Chaston.«
Mir war sofort klar, dass es ihm wirklich ernst sein musste, denn er nannte mich sonst eigentlich nie bei meinem Vornamen. Also ließ ich meine Knie einfach ihr Ding machen – prompt knickten sie ein, und ich schlug unsanft auf dem Boden auf.
»Nach den Angriffen sind die beiden einfach verschwunden«, fuhr Archer fort.
»Nein«, behauptete ich und musste dabei gleich an Daisy denken – an diesem Abend im Shelley’s. Daran, wie sie immer wieder darauf bestanden hatte, dass das Auge absolut unmöglich dort sein konnte. »Nein, ihre Eltern sind doch extra hergekommen, um sie abzuholen.«
Archer stand auf und trat näher an mich heran. »Hast du sie denn mal gesehen?«, fragte er leise. »Oder sonst einer von uns?«
Ich durchwühlte meine Erinnerungen. Mrs Casnoff hatte uns doch erzählt, dass ihre Eltern sie abgeholt hätten und sie sich den Rest des Jahres freinehmen würden. Nach den Sommerferien sollten sie wieder zurückkommen.
Aber … nein. Nachdem Alice von ihnen getrunken hatte, waren mir tatsächlich weder die beiden noch ihre Eltern über den Weg gelaufen.
»Ich hab ihre Eltern besucht«, fuhr Archer fort. »Alle vier standen unter dem Einfluss eines richtig heftigen Zaubers, Mercer. Sie waren sogar restlos davon überzeugt, dass ihre Töchter den ganzen Sommer in Hecate verbrachten. Sie haben gesagt, sie würden einmal in der Woche mit ihnen telefonieren. Aber keiner von unseren Leuten war in der Lage, Chaston oder Anna irgendwo aufzuspüren.«
In meinem Kopf drehte sich alles. Dämonen, vermisste Schüler … Warum nur war aus meinem Leben plötzlich ein diabolischer Thriller à la Nancy Drew geworden?
»Okay, aber das würde ja bedeuten …« Die nächsten Worte brachte ich kaum heraus, weil sie mir so völlig absurd vorkamen. »Das würde bedeuten, dass Mrs Casnoff
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