Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
»Aber momentan ist es viel zu gefährlich.« Und nicht nur, weil uns so gut wie jeder aus unserer näheren Umgebung dafür sofort umbringen würde, dachte ich. Sondern weil ich mir ziemlich sicher war, noch immer in ihn verliebt zu sein. Und ich glaubte irgendwie, dass er auch ganz ähnlich für mich empfand. Also war es absolut undenkbar, dass wir gemeinsam daran arbeiten konnten, die drohende Monsterapokalypse/den Dritten Weltkrieg zu verhindern, ohne dass unsere Gefühle zu einem Problem wurden.
Nicht, dass ich irgendetwas von dem hätte ansprechen können.
Mit ausdrucksloser Miene sagte Archer: »Alles klar. Kapiert.«
»Cross«, begann ich, doch dann wanderte sein Blick an mir vorbei, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Gleichzeitig nahm ich hinter mir ein schlurfendes Geräusch wahr. Das hatte garantiert nichts Gutes zu bedeuten – meiner Erfahrung nach gab es einfach nichts Gutes, das schlurfte.
Doch ich war nicht im Mindesten auf die Albträume gefasst, die da hinter mir aus dem Krater kletterten.
31
Sie kamen zu dritt und waren früher einmal Menschen gewesen. Viele Menschen. Sie hievten sich aus der Grube, ihre Leiber waren wie Flickendecken aus menschlichem Fleisch und absurd zusammengefügten Gliedmaßen.
Sie humpelten auf uns zu, und derjenige, der mir am nächsten war, streckte gierig eine fiese fleischige Pranke aus. Während die Hysterie schon in mir hochkochte, bemerkte ich seinen anderen Arm – der war schlank, blass und hatte eine Hand mit leuchtend roten Fingernägeln.
»Ghule«, hörte ich Archer sagen. Seine Stimme war leise und angespannt, so wie bei jemandem, der sich mit einem wilden Tier konfrontiert sieht. »Wiederbelebtes menschliches Fleisch. Dienen als Wächter. Richtig dunkle Magie. Irgendjemand wollte offensichtlich nicht, dass wir …«
»O mein Gott, weniger reden, mehr zustechen, bitte!« Meine Stimme klang schrill vor Angst, ich hörte es selbst, und ich hatte meine Augen weit aufgerissen, als ich mit dem Kopf herumfuhr und Archer anstarrte.
Doch er hielt sein Schwert schon in der Hand und ging leicht in die Hocke. »Ich kann sie vielleicht etwas bremsen, aber Ghule lassen sich nicht mit Klingen töten. Du bist diejenige, die sie aufhalten muss.«
»Bitte?« Ich kreischte beinahe.
»Du bist doch eine Totenbeschwörerin«, sagte er. »Und die sind tot.«
Ach, ja, richtig. Einer der vielen Vorzüge , jede Menge dunkle Magie zur Verfügung zu haben. Allerdings hatte ich noch nie einen Sinn darin gesehen, meine Fähigkeiten als Totenbeschwörerin zu kultivieren. Wann hätte ich denn schon mal in eine solche Situation geraten sollen, in der ich die Toten herumkommandieren musste?
Die Kreaturen kamen zielstrebig näher, so dass ich sie inzwischen auch riechen konnte. Fast hätte ich einen Würgeanfall bekommen. »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, kreischte ich panisch.
»Na, dann denk dir besser mal schnell was aus«, erwiderte Archer. Plötzlich nahm ich aus dem Augenwinkel eine ruckartige Bewegung wahr, und als ich zur Seite blickte, stand Archer nicht mehr neben mir, sondern war bereits mitten unter ihnen und schwang das aufblitzende Schwert. Mit der Spitze seiner Klinge erwischte er einen der Ghule unterm Kinn, doch es floss gar kein Blut. Das Wesen blieb zwar stehen, fiel aber nicht um. Stattdessen versuchte es, Archer mit einer Hand aus dem Weg zu scheuchen, als wäre er eine lästige Mücke. Doch Archer duckte sich geschickt, schwang abermals sein Schwert und bohrte es in die Seite des nächsten Ghuls. Diesmal sickerte zwar ein sämiger, schwarzer Schleim aus der Wunde, doch das Ding wirkte einfach nur genervt. Archer konnte so viel abhacken und zustechen, wie er wollte, diese Ghule hatten offenbar keinerlei Schmerzempfinden.
Mittlerweile hatte ich so viel Magie in mich aufgenommen, wie ich nur irgend halten konnte, doch ich traute mich nicht, so große Magieblitze mitten in das Getümmel zu schicken. Schließlich wollte ich ja auf gar keinen Fall Archer treffen, der sich – wie mir mittlerweile wieder eingefallen war – in Verteidigung definitiv immer zurückgehalten hatte. Mir war bisher überhaupt noch niemals jemand begegnet, der seinen Körper so sicher beherrschte wie er. Jede seiner Bewegungen kam wahnsinnig schnell und präzise. Nur schade, dass sie nichts ausrichten konnten.
Schließlich bekam einer der Ghule sein Haar zu fassen, und vor Schmerzen verzog er das Gesicht, als das Wesen seinen Kopf zurückriss. Vermutlich hatte
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