Hex Hall - Hawkins, R: Hex Hall
Spitzen der Manschetten seines Hemdes strichen über die Papiere auf dem Tisch, als er seine Handgelenke auf die Knie legte. Außerdem trug er ein Paar ziemlich beeindruckender hoher Stiefel und lächerlich enge Hosen. Also stand er dort drüben im Spiegelland entweder total auf Renaissancemärkte oder er musste sehr alt sein. Ich vermutete Letzteres.
»Das ist also das Mädchen, um das man dieses ganze Theater macht«, sagte er und musterte mich. Er sprach sehr leise, und ich glaube, er wäre richtig heiß gewesen, hätte er nicht diese Ausstrahlung von »Ich bin superböse, ehrlich, und zwar nicht auf die erotische Art« gehabt. Ich war mir trotzdem ziemlich sicher, dass er nichts als ein ganz gewöhnlicher Zauberer war. Von Dämonen geht etwas Stärkeres, Dunkleres aus, doch dieser Kerl war zwar eindeutig unangenehm, aber längst nicht so dunkel oder so mächtig wie ein Dämon.
Aislinn schlug mit der Hand gegen den Rahmen des Spiegels, so dass der Tisch, auf dem der Mann saß, ins Wackeln geriet und beinahe umkippte. Der Tisch im Raum bewegte sich nicht.
Der Spiegelknabe klammerte sich stirnrunzelnd an die Tischkante und öffnete dann den Mund, um etwas zu sagen. Aislinn fiel ihm ins Wort. »Du hast dich geirrt, Torin. Sie hat keine Kräfte mehr.«
Torin zuckte die Achseln. »Wirklicht nicht? Nun, das macht es gewiss interessanter.« Er lächelte. Einige Frauen hätten das vielleicht charmant gefunden. Ich fand es einfach nur eklig. Das musste man mir wohl angesehen haben, denn sein strahlendes Lächeln verschwand, und achselzuckend wandte er sich wieder Aislinn zu. »Sei’s drum. Ich irre mich niemals. Ich sagte euch, dass Thorne Abbey ein Raub der Flammen werden würde, und so geschah es. Ich sagte euch, dass dieses Mädchen euch zurückgegeben werden würde, und auch das geschah.«
Er wies auf Aislinn. Sein Finger wölbte den Spiegel auf wie die Spitze eines Zeltes. »Und ich sagte euch, dass ihr Grace an eine der Bestien verlieren würdet. Das wollte mir niemand glauben«, fügte er an mich gewandt hinzu. »Und doch bist du hier. Das ist der Beweis dafür, dass meine Prophezeiungen stets korrekt sind. Und was ich dir gesagt habe, Aislinn, entspricht ganz der Wahrheit«, fügte er hinzu und drehte sich zu ihr um. »Dieses Mädchen wird die Hexen der Casnoffs aufhalten.«
Drückendes Schweigen senkte sich über den Raum, als wir alle den Kerl im Spiegel anstarrten, und ich versuchte, die Tatsache zu kapieren, dass die Brannicks, Meisterinnen der Hexenjagd, auf einen prophetischen Zauberer hörten und dass besagter Zauberer anscheinend darauf setzte, ich könnte den sich zusammenbrauenden magischen Wahnsinnskrieg beenden. Trotzdem, es gefiel mir nicht, dass er meinen Dad als Bestie bezeichnete. Daher gab ich mir Mühe, möglichst verächtlich zu wirken, als ich aufstand.
»Ihr Mädchen habt also einen Zauberspiegel? Das hättest du etwas früher erwähnen sollen«, sagte ich zu Izzy. »Ich meine, das ist ja noch um Ecken cooler als Stacheldraht und Bunker.«
»Es ist kein Zauberspiegel«, erwiderte Izzy, und mir fiel plötzlich auf, dass sie Torin dabei keine Sekunde aus den Augen ließ. »Er ist unser Gefangener.«
»Gast«, blaffte Torin, aber niemand beachtete ihn.
»Wie habt ihr es geschafft, einen Zauberer zu fangen, wenn ihr keine Magie benutzt?«, wollte ich wissen.
»Die Brannicks haben ihn nicht gefangen«, antwortete Mom. »Das hat er ganz allein fertiggebracht.«
Torin war plötzlich ganz in das Glattstreichen seiner Manschetten vertieft und wandte uns dabei den Rücken zu.
»Er hat sich an einem Zauber versucht, der einfach eine Nummer zu groß für ihn war«, ergänzte Finley. »Dann ist er da drinnen gelandet und kam nicht mehr raus. Das war 1589.«
»1587«, korrigierte Torin. »Und der Zauber war keinesfalls zu groß für mich. Er war schlicht und ergreifend … ein wenig heikler als erwartet.«
Finley schnaubte. »Na klar. Jedenfalls, Avis Brannick hat ihn … es, oder was auch immer, einige Jahre später gefunden und den Spiegel zu dem Rest der Familie zurückgebracht.«
»Als Avis herausfand, dass Torin die Gabe des Wahrsagens besaß, wurde ihr klar, dass er ein nützliches Werkzeug sein konnte. Wir waren seither seine Hüter«, schloss Aislinn die Erklärung. Ich fragte mich, ob sie Geschichten wohl immer so reihum erzählten. Es erinnerte mich an diesen Dreierblick, den Elodie, Anna und Chaston früher ausgetauscht hatten, und ich verspürte wieder einen dieser merkwürdigen
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