Hex Hall - Hawkins, R: Hex Hall
du hast eine viel beängstigendere Vorgeschichte.«
Jenna wedelte mit der Hand. »Genau. Vampire an die Front!«
Wir lachten wieder. Dann blickte ich aus dem Fenster. Der graue Himmel verdunkelte sich bereits, und der Nebel, der das Haus umgab, schien zu wabern.
Jenna war still geworden. »Was denkst du, was mit uns geschehen wird?«
Das Erste, was mir einfiel, war: »Nichts Gutes«, aber stattdessen legte ich einen Arm um ihre Schulter und sagte: »Uns wird schon nichts passieren. Denke an alles, was wir bereits durchgemacht haben. Was soll uns ein kleiner Killernebel da noch groß ausmachen? Ha!«
Jenna wirkte zwar nicht überzeugt, aber sie sagte: »Ich bin mir nicht sicher, ob du selbstbewusst bist oder Wahnvorstellungen hast, aber trotzdem danke.«
Der Himmel war fast schwarz, als sich unsere Tür endlich mit einem Knarren öffnete. Mrs Casnoffs Stimme hallte durch die Schule, so dünn und näselnd wie zuvor. »Schüler, findet euch nun bitte im Ballsaal ein.«
Jenna und ich gesellten uns zu den Gruppen von Kindern, die die Treppe hinuntergingen. Niemand weinte mehr, daher vermute ich, dass das ein Fortschritt war. »Sophie«, sagte Taylor, die neben mir aufgetaucht war. Ihre Stimme war irgendwie verstellt, weil ihre Reißzähne ausgefahren waren. »Also, was soll das alles?«
»Woher soll ich das wissen? Ich bin genauso ahnungslos wie alle anderen auch.«
Sie runzelte die Stirn, wodurch ihre Eckzähne noch weiter hervortraten. Es war eine Weile her, seit ich mich in der Nähe von Gestaltwandlern befunden hatte; ich hatte vergessen, wie beunruhigend sie sein konnten. Gefangen zwischen Mensch und Tier konnten sie definitiv für Gänsehaut sorgen.
»Aber dein Dad war das Oberhaupt des Rates«, wandte sie ein. »Und du bist den ganzen Sommer mit dem Rat zusammen gewesen. Du musst doch etwas wissen.«
»Und warum ist Archer Cross hier?« Das kam von Justin. Seine Stimme hatte sich im Laufe des Sommers anscheinend verändert, da er die Worte tatsächlich aussprach, anstatt sie zu quieken. »Er ist ein Auge .«
»Hat er nicht versucht, dich zu töten?« Nausicaa war herbeigeschwebt und sah mich jetzt mit schmalen Augen an. »Und wenn ja, warum genau hast du vorhin seine Hand gehalten?«
Gespräche wie dieses endeten normalerweise mit Mistgabeln und Fackeln, daher hob ich die Hand, in einer Geste, von der ich hoffte, dass sie so etwas wie jetzt beruhigt euch doch alle einfach mal aussagte. Aber dann ergriff Jenna das Wort. »Sophie weiß nichts«, erklärte sie und schob mich hinter sich. Das wäre vielleicht effektiver gewesen, wenn Jenna nicht so klein gewesen wäre. »Und aus welchen Gründen wir auch hier sind, der Rat hat nichts damit zu tun.« Jenna fügte nicht hinzu, dass das daran lag, dass der ganze Rat mit Ausnahme von Lara Casnoff und meinem Dad tot war. »Sie ist genauso panisch wie wir anderen auch, also verzieh dich.« Nach dem Ausdruck auf den Gesichtern der anderen Kinder vermutete ich, dass Jenna die Reißzähne gebleckt hatte, und vielleicht hatte sie sogar rote Augen aufblitzen lassen.
»Was ist hier los?«, bellte eine vertraute Stimme. Na toll. Als wäre dieser Abend nicht schon ätzend genug gewesen. Die Vandy – eine Mischung aus Schulmatrone und Gefängniswärterin – drängte sich schwer atmend durch die Menge. Ihre purpurnen Tätowierungen, Zeichen der Entmächtigung, wirkten vor dem Hintergrund ihres roten Gesichtes beinahe schwarz. »Nach unten, sofort!« Als sich die Gruppe wieder in Bewegung setzte, funkelte sie Jenna und mich wütend an. »Wenn Sie noch einmal Ihre Reißzähne zeigen, Miss Talbot, dann trage ich sie danach als Ohrringe. Haben Sie das verstanden?«
Jenna könnte »Ja, Ma’am« gemurmelt haben, aber ihr Tonfall sagte etwas ganz anderes. Wir liefen die Treppe hinunter und schlossen uns den übrigen Schülern an, die sich in einer Schlange aufstellten, um in den Ballsaal zu gehen. »Zumindest hat sich eines in Hex Hall nicht verändert«, bemerkte Jenna.
»Ja, anscheinend ist Vandys Zickigkeit eine konstante Größe. Ich finde das tröstlich.«
Weniger tröstlich war die Supergruseligkeit der Schule bei Nacht. Tagsüber war sie einfach bedrückend. Aber jetzt, da es dunkel war, wirkte sie zutiefst unheimlich. Die altmodischen Gaslampen an den Wänden hatten einst ein behagliches goldenes Licht verströmt. Jetzt flackerte eine abscheuliche grüne Flamme in dem milchigen Glas und warf bizarre Schatten in jede Ecke.
Während wir den Flur hinuntergingen,
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