Hex Hall - Hawkins, R: Hex Hall
Schule noch nicht als Strafe benutzt wurde, sondern als eine Art sicheres Haus.
»Wahrscheinlich«, antwortete ich. »Diese Braut mit dem Strohhut wirkt irgendwie nuttig.«
Jetzt lachte er wirklich und drehte endlich den Kopf zu mir. »Ich weiß, dass sie es war«, sagte er und griff nach meiner Hand. Unsere Finger verschränkten sich. »Aber trotzdem. Dass ich das Mädchen, das ich … dass ich gesehen habe, wie du Cal küsst. Und obwohl ich sofort wusste, dass sie es war, als ich euch beide gesehen habe … «
»Es war trotzdem schlimm«, beendete ich seinen Satz leise. »Ich versteh das, wirklich. Es hat mich damals umgebracht, dich Elodie küssen zu sehen.«
»Es hat mich umgebracht, sie zu küssen«, sagte er, und wieder wanderte sein Blick zu dem Bild. »Aber das ist nicht das Einzige, was ätzend daran ist, wenn man zusehen muss, wie die eigene Freundin einem anderen Typen die Zunge in den Hals schiebt.«
Bei dieser Bemerkung zuckte ich zusammen und musste daran denken, wie leidenschaftlich es zugegangen war, als Archer und Jenna hereingekommen waren. Archer bemerkte es entweder nicht oder tat so, als bemerke er es nicht. »Es geht darum, dass Elodie recht hat. Du bedeutest Cal etwas. Und er ist ein wirklich netter Kerl. Und obwohl ich ihn dafür hassen möchte, dass er mit dir verlobt ist … « Er zuckte hilflos die Achseln. »Ich kann es nicht. Was bedeuten muss, dass er ein absoluter Traumtyp ist.«
»Hör auf damit«, sagte ich und riss an unseren vereinten Händen. »Cal ist mein Freund. Das ist alles. Du bist derjenige, den ich … «
Liebe, wollte ich sagen. Aber das Wort erstarrte auf meiner Zunge. Am Ende sagte ich einfach: »Will. Wähle. Was auch immer.«
Er hielt meinem Blick stand, und ich hatte seine dunklen Augen noch nie so ernst gesehen. »Vielleicht sollte ich das nicht sein.«
Erschrocken lehnte ich mich zurück. »Was soll das heißen?«
»Es ist nur … wenn du mit ihm zusammen wärst, wärest du glücklicher. Besser dran.«
Okay, jetzt wurde ich langsam wütend. »Das hast du überhaupt nicht zu entscheiden. Und wenn du so empfindest, dann tu dir keinen Zwang an und halt mir jetzt einfach die Es-liegt-nicht-an-dir-es-liegt-an mir-Ansprache.«
Zu meiner Überraschung lächelte Archer. »Aber genau das ist ja der Punkt«, erwiderte er. »Ich kann nicht. Ich könnte es ertragen, wenn du mich verlassen würdest, aber es wäre völlig unmöglich, dass ich dich verlasse.«
Ich blinzelte ihn an. »Du bist so was von gestört.«
»Genau das versuche ich dir ja die ganze Zeit zu sagen.«
Ich legte ihm eine Hand in den Nacken und zog sein Gesicht an meins heran. »Zufällig mag ich gestörte Leute«, flüsterte ich, und unsere Lippen berührten sich fast. »Also red nie wieder so einen Unsinn, okay?«
Ich spürte, dass er noch mehr sagen wollte. Stattdessen seufzte er aber nur. »Okay.«
»Ah, was für ein schöner Augenblick.«
Ich riss den Kopf herum. Lara stand direkt neben der Tür und lächelte uns glückselig an. »Ich bin ja so froh, dass ich Sie gefunden habe, Miss Mercer«, sagte sie zu mir. »Ich denke, es wird Zeit, dass wir zwei ein wenig miteinander plaudern.«
24
Zum zweiten Mal an diesem Tag fand ich mich in Laras Büro wieder.
Vom Fenster aus hatte man einen Blick auf die Bäume hinter dem Haus. Ich sah zu, wie sich der Nebel um die geschwärzten Stämme wand. Ich konzentrierte mich darauf, um die kleine Chaiselongue vor dem Fenster nicht beachten zu müssen, wo Mrs Casnoff saß, die Hände im Schoß gefaltet, das Gesicht leer.
Lara ließ sich in den Ledersessel auf der anderen Seite des Schreibtisches sinken und musterte mich. Sie wirkte nicht wütend. Nur neugierig. Beinahe amüsiert.
»Ich hoffe, ich habe nichts allzu Wichtiges zwischen Ihnen und Mr Cross … gestört.«
Ich ballte die Hände fest zusammen, damit sie nicht sehen konnte, dass sie zitterten. »Nein, nur das Übliche. Sie wissen schon – wie ich Sie und diesen ganzen hinterhältigen Plan zu Fall bringen und von dieser verrückten Insel fliehen kann.«
Sie lachte. »Sogar noch in diesem Augenblick verlässt Sie Ihr Sinn für Humor nicht. Wenn es nicht so ärgerlich wäre, würde ich das respektieren.« Die Hände zusammengelegt, beugte sie sich über den Schreibtisch vor. Sie hatte etwas an sich, das mich an alle Schulpsychologen erinnerte, die ich kennengelernt habe (und glaubt mir, damals, als ich noch eine normale Schule besuchte, habe ich jede Menge davon kennengelernt). »Wollten Sie
Weitere Kostenlose Bücher