Hex Hall - Hawkins, R: Hex Hall
zu begreifen, was ich sah. Lichter spielten im Nebel, flackernd und fahl zuerst, doch dann wurden sie so hell, dass ich die dunklen Umrisse der Bäume sehen konnte, die der Nebel sonst verbarg. Ich konnte hören, wie draußen im Flur Türen geöffnet wurden, und das Geräusch nackter Füße auf Holzböden.
Noch mehr Licht schien hell in unser Zimmer, und es folgte ein weiteres Donnern, dieses war jetzt so stark, dass meine Zähne klapperten. Jenna, nun hellwach, sprang aus dem Bett und öffnete unsere Tür. Die anderen Mädchen hatten sich alle auf dem Treppenabsatz versammelt und sahen aus dem zerbrochenen Glasfenster hinaus. Ich konnte das Zauberbuch immer noch spüren, grub die Fingernägel in meine Handflächen und hoffte, der Schmerz werde mich davon abhalten, die Treppe hinunterzurennen. Weitere Lichter blitzten auf, das Rumoren wurde lauter und stärker. Mehrere der jüngeren Mädchen hielten sich die Ohren zu.
Jemand stieß meinen Ellbogen an, und als ich mich umdrehte, sah ich Nausicaa, deren Flügel in der zum Schneiden dicken Luft sanft schlugen. »Lara ist heute Nacht in unser Zimmer gekommen, um Taylor zu holen«, sagte sie. »Denkst du … « Sie deutete mit dem Kopf auf die Lichter. »Haben sie ihr etwas angetan?«
Meine Magie erstickte mich beinahe, als die Erschütterungen stärker wurden und weitere Glasscherben aus dem Fenster fielen. Ich konnte sie nicht am Boden zersplittern hören. Das Licht loderte ein letztes Mal auf, so hell, dass wir alle die Augen schlossen und die Köpfe abwandten.
Dann war es still.
Wir standen alle da und zitterten, als ein kalter Windstoß durch das zerbrochene Fenster wehte.
Irgendwo in der Ferne hörte ich ein unmenschliches Heulen.
»Ja«, sagte ich zu Nausicaa. »Ich glaube, das haben sie.«
25
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich das Zauberbuch sofort wie einen Schmerz in meinen Knochen fühlen. Es war weit nach Mittag, ehe ich bereit war, aus dem Bett zu kriechen. Nach unten zu gehen war zwar die reinste Qual, aber ich musste sehen, was dort vorging.
Es war noch wesentlich schlimmer, als ich gedacht hatte, und ihr könnt mir glauben, dass ich mich auf alle möglichen schrecklichen Dinge vorbereitet hatte. Das Buntglasfenster war inzwischen vollkommen zerstört, nur einige wenige Splitter hingen noch an dem Holzrahmen. Irgendwann im Laufe der Nacht hatte es angefangen zu regnen, und jetzt strömte das Wasser durch die gezackte Öffnung. Jenna und ich standen im Hauptfoyer und sahen zu, wie der Regen an der Tapete hinunterrann und in den Teppich sickerte.
»Glaubst du, Taylor war die einzige Schülerin, die gestern Nacht geholt wurde?«, fragte Jenna.
Ich war so sehr damit beschäftigt zu versuchen, sie nicht umzuschubsen und in Laras Büro und zu dem Zauberbuch zu stürmen, dass ich einen Moment brauchte, um ihr zu antworten. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob sie mehr als einen gleichzeitig verwandeln können. Aber es spielt auch keine Rolle. So oder so, sie haben jetzt damit angefangen.« Ein Schaudern erschütterte meinen Körper, meine Kräfte drängten gegen meine Haut und flehten darum, freigelassen zu werden.
»Was machen Sie zwei hier unten?«, blaffte eine Stimme.
Die Vandy stand hinter uns, die Hände in die Hüften gestemmt. Obwohl sie finster die Stirn runzelte, machten ihre Augen einen müden Eindruck, und die Falten um die Augen herum wirkten tiefer.
»Wir haben nur … «, antwortete Jenna. Aber die Vandy hob die Hand.
»Es interessiert mich nicht, was Sie getan haben. Gehen sie zurück in Ihr Zimmer. Sofort.«
Jenna bewegte sich auf die Treppe zu, doch ich blieb, wo ich war. »Wollen Sie das hier auch?«, fragte ich die Vandy. »Dass alle Kinder in Dämonen verwandelt werden? Denn ich weiß zwar, dass Sie eine Art Miststück sind, aber ich hätte nicht gedacht, dass Sie so böse sein könnten.«
Ihre finstere Miene verzerrte sich zu etwas noch Hässlicherem. Beinahe etwas Gequältem. »Das reicht!«, fuhr sie mich an und deutete auf die Treppe. »Gehen Sie.«
Schwer auf Jenna gestützt kehrte ich nach oben in unser Zimmer zurück. Sobald die Tür hinter uns zuging, hörte ich das Klicken des Schlosses. Während ich auf dem Bett zusammenbrach und vor Schmerz und Verlangen zitterte, ging Jenna im Raum auf und ab. »Sie werden uns einfach einen nach dem anderen holen kommen. Jede Nacht werden wir in unseren Betten liegen und auf – auf diesen Albtraum lauschen. Und wir werden uns fragen, ob wir die Nächsten
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