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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht.«
    »Warum sollte Dominik Larissa solch ein Bild geben?« rätselte Max.
    Darauf wußte auch Sina keine Antwort. Zudem gab es Wichtigeres. »Wohin könnten sie Larissa gebracht haben?« murmelte sie zum wiederholten Mal, und wie immer gab sie sich selbst die Antwort: »Es ist einfach unmöglich, sie ohne jeden Anhaltspunkt aufzuspüren.« Und dann fügte sie hinzu: »Vielleicht sollten wir doch zur Polizei gehen.«
    Max fuhr aus seinen Überlegungen auf: »Und wenn Larissas Nachbarn uns gesehen haben, als wir das Haus verließen? Diese Leute kennen mich. Wahrscheinlich sind unsere Namen schon zu allen Präsidien im ganzen Reich unterwegs. Willst du wirklich das Risiko eingehen, Stunden oder sogar Tage auf irgendeiner Wache festgehalten zu werden, bis irgendwer aus Berlin anreist und unsere Aussagen aufnimmt?« Er verdrehte verzweifelt die Augen. »Ich meine, drei Tote! Was glaubst du denn, wem man die erst einmal ankreidet? Ganz sicher dem, der einfach davongelaufen ist, bevor der Krankenwagen kam.«
    »Wir haben immer noch unsere Ausweise«, widersprach Sina schwach.
    »Unsere Ausweise?« höhnte Max und zog seinen eigenen hervor. Verächtlich starrte er das Dokument an, als trage es allein die Schuld an allem, was ihnen widerfahren war. »Wenn auch nur ein wenig von dem, was wir gemutmaßt haben, der Wahrheit entspricht, dann ist dieser Ausweis nicht das geringste wert! Falls Zacharias zur Thule-Gesellschaft gehört und die irgend etwas mit dem Absturz des Luftschiffs zu tun hat, dann gibt es das Hex nicht mehr. Das Hex hatte seine Berechtigung, so lange hinter seiner Maskerade die Gesellschaft firmierte. Aber jetzt, wo schon viel zu viel ans Licht gekommen ist, ist es sinnlos geworden. Ich bin überzeugt, daß du recht hast: Das Hex existiert nicht mehr.«
    Sie wollte widersprechen. Das Hex war viel mehr als eine Maske gewesen. Es war, verdammt noch mal, wichtig. Es hatte sie vor den Kindern behütet.
    Im selben Augenblick wurde die Tür des Abteils aufgerissen. Sinas Hand fuhr zur Waffe.
    Es war ein kleiner Junge mit einem Zeitungsstapel im Arm. »Reichskanzler Luther tritt zurück!« brüllte er so schrill, daß es in den Ohren schmerzte. »Hindenburg ernennt Wilhelm Marx zum neuen Kanzler!« Und noch einmal: »Reichskanzler Luther...«
    Max unterbrach ihn. »Gib schon her.« Er drückte dem Kleinen eine Münze in die Hand und nahm dafür eine Zeitung entgegen. Der Junge verschwand ohne ein weiteres Wort und ließ die Tür offenstehen. Sina stand auf und zog sie zu.
    »Nettes Kerlchen«, stöhnte sie.
    Max überflog die Meldungen auf der Titelseite, dann legte er die Zeitung entnervt beiseite.
    »Darf ich?« fragte Sina.
    »Sicher.«
    Während sie begann, in der Zeitung zu blättern, steckte Max seinen Ausweis ein. Sein Zorn auf das Stück Papier war durch die Unterbrechung verflogen.
    »Hör dir das an«, sagte Sina plötzlich und zitierte: »Das Automobil, in dem der österreichisch-ungarische Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, im Juni 1914 ermordet wurde, findet seit einiger Zeit in Bosnien als Postauto Verwendung. Weil den vorherigen Besitzern des Fahrzeugs ungewöhnlich viele Unglücksfälle zustießen, glauben die Bürger an einen Spuk und bekreuzigen sich, wenn der hellrot gestrichene Wagen vorbeifährt...« Sie blickte auf. »Das wäre ein Fall fürs Hex.«
    Max lächelte wehmütig. »Hat was vom Fischmensch im Wannsee.«
    »Und von der fleischfressenden Pflanze im Tiergarten.«
    Die Erinnerung brachte beide zum Lachen. Für einen Moment wich die Spannung, die sich in ihnen aufgebaut hatte.
    Sina blätterte weiter...
    ... und wurde schlagartig bleich.
    Ihre Lippen öffneten sich, doch einen Moment lang war sie unfähig etwas zu sagen. Es sah aus, als schnappte sie nach Luft. Dann erst flüsterte sie:
    »Das ist einer von ihnen.«
    Max beugte sich vor, beunruhigt von der Veränderung, die mit ihr vorgegangen war. »Wovon sprichst du?«
    Sina drehte mit zittrigen Fingern die Zeitung um und deutete auf eine graue Photographie. »Das ist einer von den Männern, die ich gesehen habe.«
    Er begriff noch immer nicht. »Von den beiden Toten in Larissas Bad? Wieso...«
    Sie unterbrach ihn abrupt. »Von den Männern aus dem Krater. In der Nacht des Lampenlöschens. Das ist einer von ihnen!«
    Max zog ihr die Zeitung aus der Hand und betrachtete das Bild genauer. Es war die winzige Photographie eines Mannes, der umgeben von Polizisten und Sanitätern auf einem Bürgersteig stand, irgendwo in einer

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