Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
war.
    Großartig, dachte Max, gibt es hier irgendwen, der mich nicht kennt?
    Im selben Moment war seine Flucht beendet. Drei der Männer packten ihn, während draußen die Wohnungstür nachgab und ein volles Dutzend weiterer Soldaten hereintrampelte. Plötzlich war das gesamte Zimmer von Männern der Schwarzen Reichswehr bevölkert. Ohne zu protestieren drängten sich die Frauen verschreckt hinter ein Sofa. Die Soldaten, wahrscheinlich aus dem ganzen Reich nach Nürnberg beordert, waren ihre beste Kundschaft.
    Max wehrte sich nicht. Er gab auch keinen Ton von sich, nicht einmal, als ihm einer seiner wütenden Verfolger den Schlagstock in den Magen rammte.
    Kraftlos krümmte er sich in den Armen seiner Bewacher, stolperte in ihrer Mitte aus der Wohnung, die Treppen hinunter und hinaus auf die Straße.
     
    Sina wartete.
    Mit angezogenen Knien hockte sie in einer Nische, hinter zwei Mülltonnen aus grauem Blech. Die Schritte ihrer Verfolger kamen näher. Mindestens fünf oder sechs von ihnen stürmten die Gasse hinunter. Jetzt rannte der erste an der Nische vorüber, der zweite, der dritte.
    Der letzte blieb stehen und sah sie an. Blickte ihr direkt in die Augen.
    Dann schlug er Alarm.
    »Sie ist hier!« brüllte er den anderen nach, die bereits zehn, zwanzig Meter entfernt waren.
    Sina konnte die Männer aus ihrem Versteck heraus nicht mehr sehen, aber sie hatte keineswegs vor, ihnen genügend Zeit zur Umkehr zu geben. Wie eine Furie setzte sie über die Tonnen hinweg, prallte gegen den verdutzten Soldaten und rammte ihm den angewinkelten Ellbogen unters Kinn. Röchelnd taumelte er zurück und hielt sich mit beiden Händen den Kehlkopf. Dann brach er in die Knie.
    Die übrigen Soldaten waren nach rechts an der Nische vorbeigelaufen, deshalb wandte Sina sich nach links.
    Sie kam keine dreißig Meter weit, dann erschienen vor ihr in der Mündung der Gasse weitere Männer in schwarzer Uniform. Herrgott, man hatte doch wohl kaum diese ganzen Soldaten in Nürnberg stationiert, nur um sie und Max zu jagen! Aber es brauchte diese Erkenntnis nicht mehr, um zu erkennen, daß hier irgend etwas Gewaltiges im Gange war. Etwas, an das sie in diesem Augenblick keinen weiteren Gedanken verschwenden konnte, denn die Schwarze Reichswehr rückte nun von beiden Seiten auf sie zu.
    Angestrengt sah sie sich um. Sie wollte sich nicht so schnell geschlagen geben. Aber es war vergeblich. Es gab keinen versteckten Fluchtweg, den sie bisher übersehen hatte, und erst recht keinen überraschenden Helfer. Da waren nur Sina, die Soldaten und die steilen Mauern rechts und links der Gasse.
    Sie atmete tief durch, versuchte ihren Zorn zu schlucken und hob langsam die Hände.
    »Das war’s«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    Wenig später führte sie der Troß der Schwarzen Reichswehr durch die Straßen, und nicht ein einziger Bürger Nürnbergs blieb stehen, um zuzuschauen. Männer und Frauen verschwanden in Hauseingängen und Seitenstraßen, sobald sie den düsteren Trupp entdeckten; nur die Furcht übertraf ihre Neugier.
     
    Der Weg zum Burgtor war beschwerlich und steil. Nicht wenige der Soldaten stöhnten, während sie Max die gepflasterte Rampe hinauf zum Haupteingang der Kaiserburg führten. Mehr als ein Dutzend waren es noch, die ihn in ihrer Mitte hielten, und auf manchem Gesicht zeigte sich Erleichterung, als sie den Torbogen hinter sich ließen und endlich die Burg betraten.
    Ein langgestreckter Vorhof, umgeben von hohen Mauern, Fachwerkbauten und zwei trutzigen Türmen, führte zu einem zweiten Tor, wo man ihnen Eintritt in den inneren Burghof gewährte. Es wimmelte nur so von Männern der Schwarzen Reichswehr. Kein gewöhnlicher Soldat war unter ihnen, auch kein Polizist.
    Der Burghof wurde an drei Seiten von hohen, mehrstöckigen Gebäuden mit roten Ziegeldächern überschattet. An der vierten Seiten ragte eine Mauer empor, auf der ein hölzerner Wehrgang verlief.
    Ein Großteil von Max’ Bewachern blieb zurück, als man ihn ins Innere des linken Hauses führte. Vier Männer blieben als Eskorte bei ihm. Sie hatten ihn nicht gefesselt, denn zwei von ihnen hielten ihre Revolver auf seinen Rücken gerichtet. Die anderen beiden gingen voraus. Max folgte ihnen durch einen Rittersaal, dessen reich dekorierte Fensterarkaden über die Dächer der Altstadt blickten.
    Durch ein gotisches Portal betraten die Männer eine Kapelle. In der säulengestützten Bogendecke klaffte eine quadratische Öffnung, die in eine zweite,

Weitere Kostenlose Bücher