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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hineinzublicken, die Helligkeit blendete sie. Wohl aber erkannte sie, daß sich das Licht aus der Kuppel zum Boden herabsenkte.
    Sina blieb wie angewurzelt stehen. Alle anderen verblaßten in der Helligkeit zu wabernden Scherenschnitten. Auch Max wurde stutzig und verharrte.
    »Das ist doch nicht...« Sie verstummte.
    Es war möglich. Es geschah vor ihren Augen.
    Das Licht schwebte wie ein losgelöster Stern über sie hinweg und stieß dabei pulsierende Kälteschübe aus. Auch Zacharias und Dominik blieben stehen, blickten zu dem grellen Strahlenkranz über ihren Köpfen empor.
    Sina zitterte am ganzen Leib, nicht allein wegen der Kälte.
    Es war die ganze Zeit über dagewesen, oben in der Halle. Alle hatten es gewußt.
    Das Licht schwebte auf die Öffnung zu, passierte den Felsenbogen, glitt hinein in die Dunkelheit...
    Und erlosch.
    Von einer Sekunde zur anderen war es fort, als hätte die Finsternis es verschluckt wie ein Maul.
    Generatoren jaulten, und die elektrischen Lampenketten in der Halle flammte auf. Im Vergleich zur bisherigen Helligkeit verbreiteten sie kaum mehr als fahles Zwielicht.
    Aufgebrachtes Flüstern ging durch die Reihen der Soldaten und Arbeiter. Es gab keine Panik; alle waren auf diesen Augenblick vorbereitet worden.
    Alle außer Sina und Max. Sie standen mit offenen Mündern da, stocksteif. Sina bekämpfte den Drang, sich herumzuwerfen und fortzulaufen so schnell sie nur konnte.
    Zacharias drehte sich um, legte beide Hände auf Dominiks Schultern und blickte ihm eingehend in die Augen.
    »Es ist soweit«, sagte er, aber in seiner Stimme war keine Spur von Begeisterung.
    Dominik nickte stumm. In seinen Augen glosten Aufregung und nervöse Erwartung.
    Zacharias umarmte seinen Sohn und flüsterte ihm etwas zu, das Sina nicht verstand. Warum wirkte der Alte so sorgenvoll? War es nicht das, wovon er geträumt hatte? Weshalb zeigte er keine Freude, warum keinen Triumph?
    Sie erinnerte sich wieder an das merkwürdige Gefühl, das sie beschlichen hatte, als Max Zacharias Machtgier vorgeworfen hatte. Und sie hörte im Geiste wieder das, was der Alte darauf erwidert hatte: Du täuschst dich.
    Hatten sie sich alle getäuscht als sie glaubten, die Beweggründe des Alten zu verstehen? Was hatte er geantwortet, als sie gefragt hatte, was er und seine Leute hier unten trieben?
    Nichts weiter, als die Welt zu retten.
    »Ein Abschied!« flüsterte sie aufgebracht zu sich selbst. Dann lauter, damit Max es hörte: »Er verabschiedet sich!«
    Max fuhr herum, und auch Dominiks Augen wandten sich trotz der Umarmung seines Vaters zu ihr um.
    »Was meinst du?« fragte Max.
    Sina achtete nicht auf die Waffen ihrer Bewacher, die zu ihr herumschwenkten. Sie sprang auf Max zu und zischte aufgebracht: »Verstehst du es denn nicht?«
    Etwas wie der Schatten tieferen Begreifens zuckte über Max’ Gesichtszüge, doch ehe er etwas sagen konnte, löste sich plötzlich Dominik von seinem Vater und starrte ihn fassungslos an. »Sie lügt, oder? Sag mir, daß sie lügt!«
    Überall brach jetzt Unruhe aus.
    Zacharias lächelte traurig. Die unerwartete Milde in seinem Blick schien nicht zu ihm zu passen. »Du hast immer nur unseren Vorteil gesehen, nicht wahr?« Es war keine wirkliche Frage, und er sah Dominik dabei fest in die Augen. »Du wärest nie einverstanden gewesen, wenn ich es dir gesagt hätte.«
    Sina blickte von Zacharias zur Höhle hinüber. Die Schwärze war immer noch vollkommen. Trotzdem beschlich sie das Gefühl, daß sich aus der Finsternis etwas näherte.
    »Max!« flüsterte sie energisch. »Wir müssen hier weg!«
    Er blickte sie einen Augenblick lang verständnislos an, dann nickte er abrupt. »Komm!«
    Er faßte sie am Arm und zog sie von den anderen fort. Ihre Bewacher wollten das Feuer eröffnen, doch Zacharias rief: »Laßt sie! Es ist zu spät!«
    Im selben Augenblick ertönte ein dumpfes Grollen, das durch Gänge und Schächte immer näher heranrollte. Durch das Portal oberhalb der Balustrade, dort wo Evelina und ihr Vater standen, quoll eine mächtige Staubwolke in die Halle. Ein zweites Donnern ertönte, lauter als das erste. Das Echo im Felslabyrinth trug das Prasseln von Steinen heran.
    Zahllose Menschen in der Halle schrien angsterfüllt auf, eine Welle der Furcht ging durch die Menge.
    Max und Sina blieben wie angewurzelt stehen. »Er hat den Zugang zur Kapelle sprengen lassen!« entfuhr es Sina. »Er hat das alles von Anfang an geplant. Niemand soll lebend hier rauskommen, niemand, der die

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