Hex
saubere, haarscharf gebügelte Kleidung verriet, daß er nur zur Zierde durch den Saal eilte. Jene, die die Speisen tatsächlich zubereiteten, durften die Küche während des Festes nicht verlassen.
Max ließ sich von seinem Vater umarmen und lächelte aufmunternd, als Wilhelm von Poser sich mit unmerklichem Zögern an Larissa wandte: »Sie sehen bezaubernd aus«, schwärmte er, und vielleicht meinte er es sogar ehrlich. An seiner Ansicht über Schauspielerinnen würde das kaum etwas ändern. Erst recht nicht, wenn er von Larissas Rolle in dem Ewers-Film erfahren würde.
»Vielen Dank.« Artig schenkte sie ihm ihr strahlendstes Lächeln. Max aber wußte, daß ihr Charme an seinen Vater verschwendet war. Wilhelm von Poser war in seinem Leben nur einer einzigen Frau verfallen, und die war seit drei Jahren tot.
»Ich würde mir wünschen, ihr beiden kämt häufiger hierher«, sagte Max’ Vater und blickte von Larissa zu seinem Sohn.
»Ich wünschte, es gäbe häufiger einen Grund«, versetzte Max und ignorierte Larissas tadelnden Blick.
Die Gesichtszüge seines Vaters drohten für einen Augenblick zu entgleisen; dann aber behielt er die Fassung und lächelte merklich zurückhaltender als zuvor. »Kommt mit. Evelina freut sich schon auf euch.«
»Dessen bin ich sicher«, bemerkte Max, aber er sagte es so leise, daß nur Larissa es hören konnte. Sie konnte schwerlich widersprechen; Larissa und Max’ Schwester waren sich spinnefeind. Evelina hatte zuviel von der Überheblichkeit ihres Vaters geerbt, mit dem einen großen Unterschied, daß sie ihre Arroganz offen zur Schau trug. Diplomatie war ihr fremd. Manchmal dachte Max, sie sei nur so gehässig zu Larissa, weil sie um ihren Stand als Familienschönheit fürchtete. Himmel, es war Zeit, daß sie sich einen Industriellensohn oder Leutnant angelte und endlich ihre Rolle als Prinzessin auf der Erbse aufgab. Um darin überzeugen zu können, hatte sie ohnehin zuviel von Aschenbrödels bösen Stiefschwestern.
Evelina bedachte Larissa mit einem oberflächlichen Gruß und umarmte dann ihren Bruder. Max’ Blick fiel ganz kurz auf die gealterte Operndiva, die hinter ihr stand, und deren Sekretärin. Außerdem war da ein alter Baron in Husarenuniform, dessen Namen er vergessen hatte.
»Was machen deine Treppen?« fragte Evelina unverfänglich.
Bevor er antworten konnte, rief der Husar: »Sie steigen und fallen wie das Leben, nicht wahr?« Er lachte schallend, und die beiden Frauen an seiner Seite fielen höflich mit ein.
Evelina verdrehte die Augen, ohne daß der Baron es bemerkte, und Max zwang sich zu einem Lächeln. Er sah seinen Vater an, der nur mit den Schultern zuckte. Ihre Gesprächsthemen hatten sich schon vor langer Zeit erschöpft. Trotzdem war da etwas im Verhalten seines Vaters, unter all seiner vordergründigen Freundlichkeit, das Max stutzig machte. Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn. War es möglich, daß sein Vater den Abend zu einem Versöhnungsversuch nutzen wollte?
Nun, dann würde er sich Mühe geben müssen.
Eine Stimme rief von hinten ihre Namen: »Max! Larissa!«
Er drehte sich um und entdeckte Dominik, der mit einem Champagnerglas in der Hand auf sie zueilte. Er schien dankbar, daß er dem Pulk, in dem er bis eben gestanden hatte, entwichen war. Max entdeckte in der Menge auch den alten Zacharias, ohne daß der auf ihn aufmerksam wurde.
Dominik verbeugte sich galant vor Larissa und küßte ihre Hand. Er liebte es, den altmodischen Charmeur zu mimen, aber spielte diese Rolle stets mit einem leichten Augenzwinkern. Er und Larissa mochten sich. Aber Dominik mochte auch Evelina, trotz aller Freundschaft zu Max. Er hatte einmal nach einigen Gläsern Wein gestanden, daß er nichts dagegen hätte, wenn Max’ Schwester sein Interesse erwidern würde. Das aber wünschte Max nicht einmal seinem schlimmsten Feind.
Dominik erlöste sie durch sein Geplauder vorerst von allen familiären Zwängen. Er redete munter drauflos, mit Larissa über die Schauspielerei und mit Max über Grönland. Max hatte den Eindruck, als beneidete sein Freund ihn ein wenig um den Auftrag.
»Aber auch Berlin steckt voller Abenteuer, nicht wahr?« meinte Dominik schließlich ein wenig resigniert und sah dabei Evelina an. Max’ Schwester lächelte ihn an und nickte. Die kleine Hexe wußte nur zu gut, daß sie Dominiks Zuneigung mit jeder Geste neue Nahrung gab. Max war sicher, daß sie seinen Freund früher oder später offen zurückweisen würde, und sei es nur, um
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