Hex
ihren Bruder zu ärgern.
Er ergriff Larissa an der Hand, entschuldigte sich bei den anderen und führte sie auf die Terrasse.
»Du solltest nicht so häßlich zu deinem Vater sein«, sagte sie, als sie im Freien an der Balustrade standen und den Park hinter der Villa betrachteten. Lampions schaukelten in den Bäumen, und der Abendwind zauste in Larissas blondem Haar. Die kleine Jazzcombo, die hier draußen spielte, hatte eine Pause eingelegt. Einige Pärchen, erschöpft vom Tanz, schlenderten turtelnd zwischen Rosenbeeten und japanischen Teichlandschaften.
»Er ist falsch«, sagte Max. »Seine Freundlichkeit ist nur gespielt, du weißt das.«
»Und wenn nicht?« fragte sie und sah ihn an. »Wenn er es diesmal ernst meint? Er weiß, daß er die Hochzeit nicht mehr verhindern kann.«
»Das will ich hoffen.«
Larissa holte Atem und blickte ihm erst in das eine, dann in das andere Auge, als gäbe es in jedem etwas gänzlich Verschiedenes zu entdecken. »Du glaubst, er hat mit Zacharias gesprochen, damit er ausgerechnet dir diesen Auftrag gibt? Damit unsere Heirat platzt?«
Max stieß einen zitternden Stoßseufzer aus. »Weshalb sonst hätte der Alte ausgerechnet mich dorthin schicken sollen?«
»Um dir eins auszuwischen.«
»Kann sein. Was weiß ich...«
Larissa nahm ihn bei der Hand. Ihre Augen funkelten im Dunkeln genauso wie die Oberfläche der Teiche im Park. »Du solltest deinem Vater nicht immer das Schlechteste unterstellen. Ich hab’ das Gefühl, daß er sich mit dir aussöhnen will.«
Max sah sie erstaunt an. »Du auch? Glaubst du das wirklich?«
»Du kennst ihn besser als ich.«
»Leider.«
»Ach, hör auf. Frauen dürfen verbiestert sein, nicht ihr Männer.«
»Wenn du wüßtest.«
Sie kicherte. »Erzähl mir was über diese Sina, die mit dir fliegt.«
»Du bist doch nicht eifersüchtig?«
»Nicht, wenn du mir sagst, daß sie alt, häßlich und dumm ist.«
Max kratzte sich lachend am Hinterkopf. »Tut mir leid. Sie ist hübsch. Nicht so wie du, meine ich, aber...«
Sie knuffte ihn in den Bauch. »Du wirst rot, wenn du lügst.«
Er gab ihr einen Kuß. »Es heißt, sie hätte einen ziemlichen Verschleiß an Männern. Außerdem kann Sie mich nicht leiden. Sie glaubt, ich vernachlässige meine Arbeit.«
»Womit sie nicht ganz falsch liegt, oder?«
»Sie nimmt das alles schrecklich ernst. Das Hex, die Aufträge, all dieses Gerede über...«
»Gespenster und Satanssekten?«
»Fischmenschen im Wannsee«, erwiderte er. »Aber sie ist in Ordnung.«
»Das klingt, als würde sie dich da oben beschützen können.«
Max hob belehrend den Zeigefinger und sagte mit tiefer Stimme: »Aber, mein Kind, du weißt doch, daß wir Männer...«
»Natürlich«, unterbrach sie ihn sanft. Und küßte ihn.
Kapitel 4
Das neue Empfangsgebäude des Flughafens Tempelhof stand noch im Rohbau, ein skelettartiges Ungetüm aus Gerüsten und Stahlkäfigen. Die Arbeiten hatte gerade erst begonnen und sollten frühestens in zwei Jahren abgeschlossen werden. Die Wellblech- und Holzhütten der Arbeiter klebten dichtgedrängt an der Baustelle wie ein mittelalterliches Dorf an seiner Trutzburg. Maschinenlärm, gebrüllte Befehle und gellendes Hämmern auf Metall dröhnte ohrenbetäubend über das Flugfeld bis zu dem riesigen Luftschiffhangar im Süden des Geländes.
Die Polar wirkte seltsam eingezwängt in der riesigen Halle. Sina blickte andächtig an der gigantischen Lufthülle hinauf, dreißig Meter hoch und über zweihundert Meter lang. Sie mußte den Kopf weit in den Nacken legen, und als das Schiff ihr gesamtes Blickfeld ausfüllte, da war ihr, als rolle der gewaltige Wurm plötzlich herum, genau auf sie zu. Eine optische Täuschung, gewiß, trotzdem beeilte sie sich, die Augen abzuwenden.
Max stand neben ihr und wartete darauf, daß die Einstiegstreppe endlich ausgefahren wurde. Als es soweit war, gingen sie mit eiligen Schritten darauf zu. Die Schiffshülle schwebte jetzt über ihnen, und Sina wurde schlecht bei dem Gedanken, dieser Monstrosität ihr Leben anzuvertrauen.
Die Führergondel, eine ovale Konstruktion aus Glasfenstern und Leichtmetall, schmiegte sich flach an die Unterseite des Zeppelins. Passagierkabinen, Speisesaal und Frachträume befanden sich im Inneren der Hülle. Einzig vier Motorengondeln, zwei an jeder Seite, ragten an Stahlträgern einige Meter weit aus der stumpfgrauen Außenseite. Besatzungsmitglieder turnten daran herum und nahmen eine letzte Überprüfung der Propeller vor, die am
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