Hex
hinteren Teil der Gondeln saßen.
Ein gutes Dutzend Fahrgäste, Forscher, die ihre Kollegen im Eis ablösten, stiegen die Stufen der Einstiegstreppe hinauf und verschwanden im Inneren der Lufthülle.
Max und Sina hielten am Fuß der Treppe an, um sich von Dominik zu verabschieden. Er war der einzige, der mit zum Flughafen gekommen war. Ihre genauen Instruktionen hatten sie am frühen Morgen von Zacharias bekommen. Das Gepäck war bereits abgeholt und in ihren Kabinen verstaut worden.
»Larissa ist wohl froh, daß sie dich loswird?« fragte Dominik in Anspielung darauf, daß sie nicht mitgekommen war.
Max’ Mund war trocken, sein Lächeln wirkte gequält. »Sie muß heute morgen vorsprechen.«
»Bei Ewers persönlich?« bemerkte sein Freund anzüglich.
Max schüttelte den Kopf. »Anderer Film, anderer Autor.«
»Ich werd’ sie mal besuchen und nach ihr sehen.«
Sina trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Seid ihr beiden bald soweit?«
»Aufgeregt, Frau Zweisam?« fragte Dominik und grinste.
Sie zeigte ihm einen Vogel. »Wohl kaum wegen deiner Anwesenheit.«
Max stöhnte betont. »Seid ihr bald soweit?«
Dominik umarmte sie beide, wobei er Sina ein wenig länger festhielt. Sie ließ es ohne Protest geschehen und fühlte sich für einen Augenblick sogar recht wohl dabei.
Als sie die Stufen hinaufstiegen, stellte Max insgeheim die Häßlichkeit von Stahltreppen fest. Wahrscheinlich würde er nun einige Wochen lang keine Messungen von Spurverläufen, Kantenhöhen und Steigwinkeln anstellen können; er konnte sich nicht vorstellen, daß es in Grönland bemerkenswerte Treppenbauten gab. Vorsichtshalber hatte er trotzdem Zentimeterband, Winkelmesser und Notizbuch dabei.
»Macht’s gut«, rief Dominik ihnen hinterher. Sie nickten ihm zu, dann betraten sie die Lufthülle. Hinter der Einstiegsluke lag ein schmaler Gang, dessen Wände aus leichtem Holz gezimmert waren. Sie gingen über Metallgitter, die bei jedem Schritt leise klirrten, tiefer ins Schiff hinein; später sollten sie feststellen, daß sämtliche Böden an Bord der Polar aus Gitterwerk bestanden. Es war stabiler als Holz und leichter als Metallplatten.
Sie erreichten eine Treppe, die steil nach oben führte. Nachdem sie hinaufgestiegen waren, traten sie durch eine Tür. Hier endeten die beengenden Wände. Sie befanden sich auf einer Plattform im Herzen der Hülle. Ein zweihundert Meter langer Gittersteg, kaum zwei Schritte breit und nur durch Geländer begrenzt, bildete die Längsachse des Schiffes. Er führte von der vorderen zur hinteren Spitze. Die Plattform, auf der sie jetzt standen, lag im Heck. In reinen Passagierschiffen bekamen die Fahrgäste das Innenleben der Hülle nicht zu sehen, ihre Quartiere waren durch Wände begrenzt, die ihnen einen Blick auf die beängstigende Größe der Schiffe verwehrte. Die Polar aber wurde vor allem als Transporter auf unbeliebten Nordrouten eingesetzt, und so hatte man auf jeden Luxus verzichtet.
Der Boden des fünfzehn Meter tiefen Abgrundes unter ihnen war nicht zu sehen. Außer bei speziellen Arbeiten am Rumpf wurde nur der Mittelgang durch kleine Lampen am Geländer erhellt. Rundherum herrschte vollkommene Schwärze, auch durch die Hülle fiel kein Lichtstrahl. Sina irritierte das Knirschen des Gittersteges, dessen Ende in der Ferne nicht zu erkennen war. Einmal war ihr gar, als schwanke er leicht. Jetzt begriff sie, warum Max in Zacharias’ Büro erwähnt hatte, daß ihm in Luftschiffen schlecht wurde. Sie konnte es nur zu gut nachfühlen, schon jetzt, noch vor dem Start.
Ein junger Mann von der Besatzung, gekleidet in eine Uniform der Deutschen Zeppelin-Reederei, führte Sina, Max und die übrigen Passagiere den Steg entlang zu ihren Unterkünften. Dabei passierten sie eine Reihe riesiger Fässer, rechts und links des Mittelgangs. Der junge Mann bemerkte Sinas neugierige Blicke und erklärte: »In den vorderen befindet sich das Öl für die Motoren, und in die hinteren fließt das Schmutzwasser.«
»Kann man das nicht über dem Meer ablassen?« fragte sie.
»Nur, wenn das Schiff steigen soll. Ansonsten bleibt es an Bord, um den Kurs stabil zu halten.«
Kurz darauf führte der Steg durch ein Gewirr von Metallträgern und Stahlkabeln. An beiden Seiten waren riesige, durchscheinende Ballons in das Geflecht eingelassen. Sina zählte sechzehn Stück. Ein anhaltendes Zischen verriet, daß die Gaszellen gerade mit Helium gefüllt wurden. Diese Kugeln würden später das gesamte Schiff in der
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