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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht erwähnt. Aber ich habe ihm geschrieben, daß wir miteinander gesprochen haben, du und ich.«
    Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich, fand Larissa. Von Poser schien ihr kein Mann großer Gefühle zu sein. Hatte er nicht noch während ihres Gesprächs erwähnt, er wolle mit Max reden, wenn er wieder in Berlin war?
    Nun also ein Telegramm, gut. Und es war richtig gewesen, daß er den Anschlag auf Dominik darin nicht erwähnt hatte.
    Die letzten Trauergäste hatten Dominiks Eltern ihr Beileid bekundet, und die Versammlung löste sich allmählich auf. Als Johannes Zacharias an Larissa vorüberging, war sie schockiert, wie sehr er sich seit der Feier im Haus der von Posers verändert hatte. Grau, gramgebeugt, um Jahre gealtert. Ein geschlagener Mann.
    »Er hat gleich zwei Verluste zu tragen«, sagte von Poser leise zu Larissa, als er ihren Blick bemerkte.
    »Zwei?« fragte sie irritiert.
    »Dominik – und das Hex«, erklärte Max’ Vater.
    »Was ist mit dem Hex?«
    »Es wurde aufgelöst.«
    Als sie ihn mit großen Augen ansah, fügte er hinzu: »Es gab einen Vorfall im Hauptquartier. Zacharias’ Gegner im Ministerium haben das zum Anlaß genommen, die ganze Abteilung zu schließen. Max dürfte in Kürze Order bekommen, zurückzukehren.«
    »Falls die ihn da oben überhaupt erreichen«, bemerkte Evelina.
    Larissa wunderte sich. Das Hex einfach aufgelöst? Von einem Tag zum anderen? Aber sie verspürte auch verstohlene Freude, denn das bedeutete, daß Max früher als erwartet zurückkehren würde. Und ihm hatte die Abteilung ohnehin nichts bedeutet.
    Evelina hakte sich bei ihrem Vater unter, dann schlossen die beiden sich den letzten Trauernden an, die langsam das Grab verließen. Larissa zögerte noch, mitzugehen. Statt dessen trat sie einmal mehr an das offene Grab und blickte auf den Sarg hinab.
    Erst nach einer Weile drehte sie sich schwermütig um und ging allein in Richtung des Ausgangs. Alle anderen waren bereits hinter Wegkehren und mächtigen Eiben verschwunden. Nirgends war ein Mensch zu sehen.
    Da ertönte hinter ihr eine Stimme. »Junge Frau!« Und noch einmal: »Sie da, junge Frau!«
    Larissa fuhr herum. Zwischen zwei Rhododendronbüschen stand eine merkwürdige Gestalt, halb von Blättern und Ästen verborgen, und winkte ihr zu. Der Mann trug auffallend bunte Kleidung, einer Beerdigung ganz und gar unangemessen. Auf seinem Kopf saß ein Zylinder, eingedrückt wie eine alte Ziehharmonika.
    Der Leierkastenmann, dachte Larissa verwundert. Er war ihr bei ihrer Ankunft aufgefallen, draußen am Friedhofstor. Er hatte irgendeine traurige Melodie gespielt und um ein paar Münzen gebeten. Die Tatsache, daß er sogar am offenen Grab betteln wollte, erboste sie.
    Sie wollte wutentbrannt davonstürmen, als er sie unvermittelt beim Namen rief: »Larissa!«
    Perplex blieb sie stehen und schaute sich erneut zu ihm um. Fünf Schritte trennten sie von dem Gebüsch, in dem er stand.
    »Was wollen Sie?« fragte sie grob. Sie war allein mit dem Mann, aber die anderen waren noch nah genug, um sie zu hören, wenn sie um Hilfe rief. Wahrscheinlich drohte ihr keine Gefahr. Trotzdem: Woher kannte der Kerl ihren Namen? Der Gedanke, daß er sie in einem ihrer Filme gesehen und wiedererkannt haben könnte, kam ihr gar nicht erst – zu klein waren ihre Rollen, zu unbekannt ihr Gesicht.
    »Mit Ihnen sprechen.« Er trat nicht aus den Büschen, als wollte er sichergehen, jederzeit verschwinden zu können.
    »Warum kommen Sie dann nicht aus Ihrem Versteck?«
    »Das haben Sie sicher längst erraten.«
    Larissa rührte sich nicht von der Stelle. »Worüber wollen Sie reden? Wenn Sie Geld wollen, dann...«
    Die Stimme des Mannes schnitt ihr scharf das Wort ab. »Nein, kein Geld. Nur Ihre Aufmerksamkeit.«
    Ihr war klar, daß es das klügste gewesen wäre, einfach fortzulaufen. Alles andere war Wahnsinn. Und dennoch wartete sie ab.
    »Also?« fragte sie.
    Es gefiel ihm nicht, daß sie nicht näher kam, aber er schien ihre Gründe zu respektieren. Er legte die Stirn in Falten, dann zog er aus einer Tasche seiner ausgebeulten Hose ein gefaltetes Papier. Noch einmal schaute er sich um, ob niemand sie beobachtete. Schließlich warf er ihr den Zettel zu. Er trudelte zwei Schritte vor ihr zu Boden.
    Sie zögerte, sich danach zu bücken. »Was ist das?«
    »Schauen Sie es sich an.«
    »Ich weiß nicht, ob das klug wäre.«
    Er lächelte schwach. »Es ist auch nicht klug, mit mir zu sprechen. Sie tun es trotzdem. Also stellen Sie sich nicht so

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