Hexe auf leisen Sohlen
anderen auch.«
Sie griff nach dem Shaker und
füllte sich selbst wieder ihr Glas. »Ich will Ihnen mal was sagen, Dannyboy«,
sagte sie dann. Sie holte tief Atem, während sie sprach, so daß ihre Stimme
voller Verführung klang und kaum Ton hatte.
»Sagen Sie mir alles, aber
verschonen Sie mich mit Ihrer Lebensgeschichte, mein Schatz«, wehrte ich
vorsichtig ab. »Ich hasse beichtende Frauen.«
»Es geht um eine Theorie«, fuhr
sie fort, »die Theorie, daß Frauen sich anziehen, um Männern zu gefallen. Sie
stimmt nicht.«
»Nein?« Ich hob die
Augenbrauen, aber sie waren mir zu schwer, darum ließ ich sie wieder sinken.
»Nein«, antwortete sie
entschieden.
Ich wartete, während sie mit
der gleichen eleganten Bewegung, mit der sie mit den beiden ersten fertig geworden
war, ihr drittes Glas leerte.
»Ganz eindeutig nicht.« Sie
schüttelte ihren Kopf um eine Kleinigkeit zu heftig. »Wenn eine Frau einem Mann
wirklich gefallen will, dann tut sie genau das Gegenteil.«
»Das Gegenteil?« Ich blinzelte
sie verständnislos an.
Mit einem Griff riß sie ihren
Gürtel los, so daß ihr Kleid vorn aufklaffte. Dann zuckte sie kurz mit den
Schultern, und das Gewand sank zu ihren Füßen auf den Boden. Darunter hatte
sich nichts als Adele naturrein befunden.
Ich sah zu, wie sie sich langsam
auf den Ballen ihrer Füße drehte, bis sie sich einmal vollständig um sich
herumgedreht hatte.
»Einhundertvier Pfund«, sagte
sie mit sich zufrieden, als sie wieder gerade vor mir stand, »und kein Gramm an
der falschen Stelle.«
Immer war ich der Ansicht gewesen,
daß Sechzehn das schlimmste Alter sei, die wirklich böse Zeit, in der man zu
erkennen beginnt, daß der Anblick einer Frau, die nichts anhat, in den weitaus
meisten Fällen enttäuschend ist. Da hängt es, und da quillt es, hier ist nicht
genug, und dort ist zuwenig. In der Tat, es trifft einen mit überwältigender
Wucht, daß auf dieser Welt nicht lauter Pin= up =Girls
herumlaufen.
Aber Adele war keine
Enttäuschung. Hier hoben sich unübertreffliche Zwillingshügel zu einem
glorreichen Maximum hervor, und dort verjüngte sie sich zu einem eleganten
Minimum. Ihre Haut glich in ihrer schimmernden Glätte der Oberfläche
elfenbeinfarbenen Porzellans. Hoch an ihrem linken Oberschenkel hatte sie eine
drei Zoll lange dreieckige Narbe — das einzige, was ihre makellose Schönheit
beeinträchtigte und deshalb atemberaubend aufregend war.
»Willst du mich nur anstarren
und dich damit zufrieden geben?« fragte sie träge, »das finde ich wirklich
schmeichelhaft, Dannyboy .«
Langsam ging ich um die Bar
herum auf sie zu. Der Kragen wurde mir etwas zu eng, darum öffnete ich ihn,
ziemlich weit. Sie strich sich mit der Hand langsam über die geschwungene Linie
ihrer Hüfte und stand abwartend da.
»Wirst du mich jetzt wieder
schlagen?« fragte sie, als ich vor ihr stehenblieb.
»Ist das Aubreys besondere
Eigenart, eine kräftige rechte Hand?« fragte ich.
»Aubrey!« Sie machte den Namen
zu einem ordinären Schimpfwort. »Nein. Ich war aber der Ansicht, daß das deine
Stärke sei.«
»Ich bin ein echter
Naturbursche«, antwortete ich. »So wie´s die Alten handhabten, das ist für mich
gerade das Richtige.«
Dann streckte ich die Hand aus
und strich mit den Fingerspitzen über die dreieckige Narbe. »Ist das ein Schlangenbiß ?«
»So könnte man es nennen«, stimmte
sie zu. In ihrer Stimme lag ein spöttischer Ton. »Wirst du mich jetzt in den
Arm nehmen oder sonst etwas Altmodisches mit mir tun?«
»Ich hatte an beides schon
gedacht«, antwortete ich. »Altmodisch mag es ja sein, unmodern wird es trotzdem
nie.«
Sorgfältig suchte sie mit
Daumen und Zeigefinger und riß mir dann ein Haar aus der Brust. »Hörst du
niemals auf zu reden?« fragte sie ungehalten.
»Ganz wie du willst«,
antwortete ich. »Wenn wir hier Tarzan und Jane spielen wollen, werden wir uns
wohl mit dem Asphaltdschungel begnügen müssen.«
Ich beugte mich nieder, legte
meinen Arm um ihre Kniekehle und hob sie über meine Schulter. Sie trommelte mir
mit den Fäusten ins Kreuz, als ich sie durch das Zimmer trug. Zur Antwort
klatschte ich ihr auf die naheliegendste und einladendste Stelle. Sie quietschte zufrieden auf.
»Nur eines noch. Was ist mit
Aubrey? Ich meine, falls er früher in die Stadt zurückkommen sollte.«
»Er kann zum Teufel gehen«,
antwortete sie selbstgefällig. »Schließlich kann er sich selbst seine Drinks
mixen.«
»Damit wäre Aubrey erledigt«,
stellte ich fest.
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