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Hexe auf leisen Sohlen

Hexe auf leisen Sohlen

Titel: Hexe auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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paar Tagen wieder gehen würde?«
    »Ich weiß es wirklich nicht,
Mr. Boyd.«
    »Na schön«, sagte ich. »Wir
scheinen einen langen Winter vor uns zu haben. Spielen Sie Sechsundsechzig?«
    »Das verbitte ich mir, Mr.
Boyd.«
    Ich stützte meine Ellbogen auf
ihren Schreibtisch und starrte ihr in die Augen. Sie fuhr vor mir zurück und
fiel beinahe von ihrem Stuhl. In ihren Augen zeigte sich etwas, das von Panik
nicht weit entfernt war. »Sie müssen wissen«, sagte ich ihr vertraulich, »ich
bin selbst in gewisser Weise ein Amateurpsychologe.«
    »Das ist ein höchst
gefährliches Unterfangen«, verkündete sie tadelnd.
    »Sagen Sie mir eines.« Ich
senkte meine Stimme zu einem streng vertraulichen Flüstern. »Wenn Sie zufällig
mal in der Wäsche Dr. Frazers Unterhosen sehen, werden Sie dann rot?«
    Jeder Mensch hat seine Grenze,
an der er nicht mehr weiter kann. Und das war ihre. Mit einem dünnen
Verzweiflungsschrei floh sie durch den Gang davon und wurde von den Tiefen des
Sanatoriums verschlungen.
    Ein paar Sekunden später gab
das pastellfarbene Telefon auf dem Schreibtisch einen höflichen und
unaufdringlichen Laut von sich. Ich hob den Hörer ab und sagte laut »Empfang«
in die Sprechmuschel. Schweigen hallte in meinem Ohr wider. Es schien mir eine
ganze Weile zu dauern.
    »Wer ist dort?« fragte
schließlich eine benommene Stimme. Ich erkannte sie als die Dr. Frazers.
    »Hier ist Danny Boyd, Doc«,
antwortete ich. »Wie ich höre, haben Sie zu tun?«
    »Wie kommen Sie dazu, dieses
Telefon zu benutzen?« fragte er kalt. »Wo ist die Empfangsdame?«
    »Ich glaube, sie hat gerade
entdeckt, daß sie eine Delle im Kopf hat«, antwortete ich. »Sie hatte sich ihr
Haar zu kurz schneiden lassen, und dabei stellte sie die Delle fest.«
    »Sind Sie betrunken?« donnerte
er mich an.
    »Nur müde, Doc«, antwortete ich
wahrheitsgemäß, »vom Herumsitzen und Warten, bis Sie mich empfangen. Wir haben
eine dringende Angelegenheit zu regeln, und sie kann nicht mehr länger warten.«
    »Mit Ihnen habe ich nichts zu
besprechen, Mr. Boyd«, sagte er in mörderischem Ton. »Wenn Sie nicht innerhalb
von fünf Minuten mein Sanatorium verlassen haben, rufe ich die Polizei.«
    »Haben Sie kürzlich wieder
einen Ihrer guten Anzüge zerrissen, Doc?« fragte ich höflich. Darauf drang ein
undeutbares Geräusch in mein Ohr, und ich ließ ihm Zeit, sich zu beruhigen,
bevor ich weitersprach. »Ich will Ihnen sagen, worum es sich handelt, Doktor.
Ich muß entweder mit Ihnen oder dem Mann mit dem gebrochenen Arm sprechen. Und
wenn ich nicht einen von ihnen innerhalb der nächsten fünf Minuten sehe, rufe
ich die Staatspolizei an. Von diesem Apparat.«
    »Sie können sofort in mein Büro
kommen«, antwortete er mit zitternder Stimme. »Ich kann fünf Minuten für Sie
erübrigen, aber länger nicht.«
    »Unter gewissen Umständen ist
das fast eine lebensentscheidende Zeit, Doc«, antwortete ich. »Haben Sie je
darüber nachgedacht, was in fünf Minuten alles passieren kann? Ein Damm kann
brechen, die Welt kann aufhören, sich um ihre Achse zu drehen, eine Laufbahn
kann ruiniert werden, und manchmal kann sogar ein gebrochener Arm geheilt
werden.« Ich lauschte auf eine Antwort, hörte aber nur das gedämpfte Knacken,
als er den Hörer zurücklegte.
    Als ich die Tür zu seinem Büro
öffnete, war ich überzeugt, daß er die ganze Zeit dort gewesen war. Er saß zu
geruhsam hinter seinem Schreibtisch, um gerade erst Platz genommen zu haben.
    »Ich wäre Ihnen verbunden, wenn
Sie sich mit Ihrem Anliegen so kurz wie möglich fassen, Mr. Boyd«, sagte er
kurz und bündig. »Ich habe heute vormittag noch eine
ganze Reihe von Patienten zu empfangen.«
    »Es wird gar nicht lange
dauern«, antwortete ich. »Ich habe vor etwa drei Stunden mit Nicholas Blair
gesprochen.«
    Er erstarrte in seinem Sessel.
»Wer hat ihn gefunden? Die Polizei?«
    »Er wurde noch nicht gefunden«,
antwortete ich. »Es war das, was Sie eine vertrauliche Beratung nennen würden.«
    »Ist Ihnen bewußt, daß Sie sich
gegen das Gesetz vergangen haben?« fragte er kalt. »Sie haben einem Mann Hilfe
geleistet, der in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wurde, und ihn dabei
unterstützt, sich der Festnahme zu entziehen«
    »Und gegen wie viele Gesetze
haben Sie sich in den letzten Tagen vergangen, Doc?« hielt ich ihm entgegen.
    Aus der Art, wie seine
Fingernägel über die polierte Schreibtischplatte kratzten, schloß ich, daß er
versuchen wollte, den Schreibtisch zu

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