Hexe auf leisen Sohlen
vielleicht mehr Geld als gesunden Menschenverstand besäßen. Wenn
ich die Möglichkeit sähe, bei dem Scherz mitzuwirken — der ja schließlich
durchaus harmlos sei —, fände er bestimmt eine Möglichkeit, für mein Sanatorium
dreitausend Dollar zu spenden.«
Ich zündete mir eine Zigarette
an und wartete auf den Rest seiner Geschichte.
»Ist Ihnen die fast völlige
Stille in meinem Sanatorium aufgefallen, Mr. Boyd?« fragte Frazer leise. »Ich
nehme an ja. Und vermutlich führten Sie es auf schallschluckende Wände und
Decken zurück, vielleicht auch noch auf etwas Finstereres wie etwa
Gummizellen.«
»Ich bemerkte es tatsächlich«,
bestätigte ich.
»Dafür gibt es eine einfache Erklärung,
Mr. Boyd. Das Sanatorium steht gegenwärtig leer. Es gibt hier keine Patienten.
Ich unterhalte einen Mindestbedarf an Hilfskräften und Angestellten, um
gegenüber möglichen Patienten den äußeren Schein zu wahren. Aber das ist auch
alles. Dreitausend Dollar waren und sind für mich lebenswichtig.«
»Deshalb ließen Sie sich also
für dreitausend Dollar darauf ein, bei dem Ulk mitzumachen, Doktor. Ich
verstehe. Fahren Sie fort.«
Er zuckte zusammen.
»Wahrscheinlich muß man es wirklich so ansehen, wie Sie es hinstellen«, gab er
bedrückt zu. »Sie wissen, was bei dem Gespräch mit Blair vorging, denn Sie
waren selbst dabei. Sie wissen auch, daß Mrs. Blair Papiere unterschrieb. Ich
unterschrieb sie auch. Aber die Unterschrift eines Arztes ist nicht ausreichend,
um eine Einweisung in eine geschlossene Anstalt rechtswirksam zu machen.
Infolgedessen war sie also wertlos. Legal gesehen ist Blair niemals eingewiesen
worden, noch wurde das jemals wirklich versucht.
Am Nachmittag meldete sich der
Mann dann noch einmal. Er war entzückt, zu hören, wie sich alles entwickelt
hatte. Er verlangte jedoch noch einen Gefallen von mir. Ich sollte Blair am
späten Nachmittag den Weg ebnen, um ungehindert entkommen zu können. Ich sagte
zu, und wir legten die Einzelheiten fest. Wenn ich mich recht erinnere, war es
sein Einfall, daß ich meinen Wagen mit dem Zündschlüssel im Schloß unmittelbar
vor dem Gebäude parken sollte.
Blair entfloh also, und ich
hatte meine dreitausend Dollar. Meine einzige Sorge galt meinem Wagen, aber nur
zehn Minuten lang, nachdem ihn Blair sich genommen hatte. Denn um diese Zeit
erschien der Fremde wieder und verlangte von mir, die Polizei zu alarmieren,
daß ein in eine geschlossene Abteilung eingewiesener Geisteskranker aus meinem
Sanatorium entsprungen sei und daß alle Nachbarstaaten mit alarmiert werden
sollten. Es sei ein gemeingefährlicher Geisteskranker namens Blair, sagte er.
Zuerst lachte ich ihn aus, bis
ich merkte, daß es ihm Ernst war. Er blieb die ganze Zeit äußerst höflich,
während er mir Schritt für Schritt vorhielt, was ich eigentlich getan hatte,
und mich fragte, welchen Eindruck es vor Gericht machen würde, wenn ich darüber
aussagen müßte. Was würden meine Berufskollegen von mir denken, wie würde sich
mein Verband mir gegenüber verhalten und so weiter.«
»Er hatte also alles
beisammen«, meinte ich. »Die Papiere, die Sie bei Ihrer Mitwirkung bei diesem
Witz unterschrieben hatten, die Seriennummern der Banknoten, mit denen er Sie
bezahlt hatte. Eine hübsche eindeutige Erpressung. Ihre Karriere, Ihre Zukunft,
Ihr Sanatorium, das alles brachten Sie in Gefahr, wenn Sie nicht mitspielten.«
»Er nahm mir die größte Mühe
ab«, sagte Frazer bitter. »Er rief die Polizei in meinem Namen an, um mir diese
Unannehmlichkeit zu ersparen. Auf diese Weise kam der gebrochene Arm des
Pflegers zustande. Das letzte, was er sagte, bevor er ging, war, das Ganze sei
nur eine weitere Nuance bei dem Scherz, und ein paar Stunden später würde er
die ganze Jagd abblasen. Selbstverständlich tat er das nicht, und jetzt sind
achtzehn Stunden vergangen, seit Blair in meinem Wagen von meinem Grundstück
fortfuhr. Und natürlich habe ich diesen Herrn auch nicht wiedergesehen. Ich
erwarte auch nicht, daß ich ihn jemals Wiedersehen werde.«
»Hat er Ihnen einen Namen
genannt?«
» Himmelman oder sonst so etwas Unwahrscheinliches.« Frazer nickte kläglich. »Offenbar habe
ich in den letzten vierundzwanzig Stunden einen handfesten Zynismus erworben.«
»Aber Sie würden ihn doch
erkennen, wenn Sie ihn wiedersehen?«
»Sein Gesicht ist mir
unauslöschlich im Gedächtnis eingegraben«, bestätigte er mit gepreßter Stimme.
»Ein großer Bursche, ziemlich
dick«, sagte ich
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