Hexenblut
hat? Sie begann zu zittern.
»Wir ziehen hier aus«, sagte sie laut. Und auf einmal war das ihr voller Ernst. Sie würde alles tun, damit Nicole sich bereit erklärte, von hier wegzugehen. Das Haus oder Schloss, oder wie immer man es nennen wollte, war der Familiensitz einer Dynastie von mordlüsternen, barbarischen Hexern. Kein Heim, in dem man ein Kind großziehen sollte.
Aber das Buch ... Es hatte die Verwüstung von Seattle vorhergesagt, Hollys Besessenheit, alles.
»Dann erzähle ich ihnen davon«, sagte sie.
Nein. Es ist für dich. Das Buch ist für dich. Sag kein Wort.
»Ich ...«, stammelte sie und war plötzlich ganz verwirrt. Woran hatte sie gerade gedacht?
La, la, la, la-la. Schauer rieselten ihr den Rücken hinab. Sie öffnete die Tür und schob den Kopf durch den Türspalt.
»Nicole?«, flüsterte sie. Sie ging an der Verbindungstür zu Richard vorbei und blieb vor der Tür zu dem Zimmer stehen, in dem Nicole mit Owen schlief. Vorsichtig öffnete sie sie, nur ein klein wenig. Sie fürchtete sich davor, diese Tür weiter zu öffnen - fürchtete sich davor, was sie dann sehen würde. Was das bedeuten könnte.
Niemand wird Owen umbringen.
La, la, la, la-la.
Sie hielt den Lichtkegel ihrer Taschenlampe auf den Boden gerichtet und trat ein. Zwar fürchtete sie, das Licht könnte sie verraten, aber noch mehr Angst hatte sie davor, sich im Stockdunklen zu bewegen.
Sie hörte ein leises Quietschen.
Schritte. Schnelle, leichte Trippelschritte eilten durchs Zimmer.
Sie bekam eine Gänsehaut. Als sie nach Nicole rufen wollte, war ihre Kehle knochentrocken. Die Hand, in der sie die Taschenlampe hielt, schien auf einmal eine Tonne zu wiegen. Sie konnte den Arm nicht heben.
Ihre Lippen bewegten sich stumm, ihr Daumen zitterte auf dem Schalter der Taschenlampe...
... und dann glitt eine winzig kleine Hand in ihre freie Hand und drückte leicht ihre Finger.
Er kann noch nicht laufen.
»Nicole!«, kreischte sie.
Sofort wurde der Raum von Nicoles Nachttischlampe erhellt. Nicole war mit einem Satz aus dem Bett. Im selben Moment begann Owen zu schreien - in seiner Wiege.
»Amanda, was ist?«, rief Nicole, riss Owen an sich und eilte auf ihre Schwester zu.
Neben Amanda stand niemand. Niemand hatte ihre Hand gedrückt. Jedenfalls niemand Sichtbares.
»Oh, Nicole«, stieß sie hervor und brach in Tränen aus. Owen begann zu weinen.
»Amanda!« Nicole schlang ihr einen Arm um die Schultern.
In diesem Augenblick erschien Richard in der Verbindungstür, mit einem weißen T-Shirt und einer schwarzen Jogginghose bekleidet. Er schaltete das Deckenlicht ein.
»Was ist los?«, rief er und ließ den Blick durch den Raum schweifen.
Sag ihm nichts. Die Stimme sprach tief in ihrem Inneren. Vielleicht war es dieselbe Stimme, die dieses unheimliche Liedchen gesungen und ihre Hand gedrückt hatte. Vielleicht auch die Stimme, die sie gedrängt hatte, nach Tommy zu rufen, als sie in dem Geheimgang gefangen gewesen war. Amanda wusste nicht, was sie tun sollte. Ihr Vater beschützte sie, aber er gehörte nicht zu ihrem magischen Zirkel.
»Amanda?« Krachend wurde die Tür aufgestoßen, und Tommy platzte herein. Nicole hielt Amanda immer noch im Arm, und Owen weinte.
Sie sollte es Tommy sagen. Sie waren durch die magische Hochzeit gebunden. Aber er war keine Cathers-Hexe.
»Ich... ich habe schlecht geträumt«, sagte sie und klammerte sich an Nicole fest. Tommy nahm ihre Hand - die Hand, in der sie eben noch die geisterhaften kleinen Finger gespürt hatte - und zog Amanda an seine Brust. Als sie ihre Zwillingsschwester losließ, glaubte sie, den unheimlichen Gesang wieder zu hören... von Owen, der immer noch weinte.
Verliere ich den Verstand?
Mumbai: Philippe, Anne-Louise und Eli
Eli hatte die magischen Spuren bis zu einem riesigen Park verfolgt. Jetzt starrte er ungläubig die beiden Hexen an. Er hatte keine Ahnung, wer die Frau sein mochte, aber der Mann war dieser Europäer, mit dem Nicole die magische Hochzeit vollzogen hatte.
Der Dreckskerl.
»Das darf nicht wahr sein«, grollte er.
Knapp sieben Meter trennten ihn von den beiden, mehr als nah genug für Eli, um ihn durch Magie zu töten, aber nicht genug, um ihn mit bloßen Händen zu erwürgen. Er knurrte tief in der Kehle und ballte die Fäuste. Aus dem Gesichtsausdruck dieses Kerls schloss Eli, dass der etwas ganz Ähnliches dachte.
Die Frau trat vor, und mit einem Schnippen aus dem Handgelenk schleuderte Eli sie zurück. Sie landete unsanft auf einer
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