Hexenblut
hatte er kein Alibi.«
»Und welches Problem gab es diesmal?«, fragte ich. »Warum wurde er schon wieder nicht festgenommen?«
»Weil sich an der Toten keine Spuren befanden, die wir gegen ihn hätten verwenden können. Aber selbst wenn wir doch noch fündig geworden wären, kam uns das Schicksal in die Quere«, sagte Joe.
»Das Schicksal?«, wiederholte ich verwundert.
»Und zwar in Gestalt eines Hammers oder etwas Ähnlichem«, erklärte Joe. »Er wurde in seiner schäbigen kleinen Wohnung erschlagen, vermutlich war es einer seiner Nachbarn. Und wissen Sie was? Niemand hat irgendetwas gehört oder gesehen.«
Frustriert fuhr ich mir durchs Haar. »Dann haben wir einen Selbstmord und einen Mord durch einen Perversen.«
Joe nickte. »Damit bleiben zwei Mordopfer übrig, die mit dem Zirkel zusammenhängen – Mary, die am Bach gefunden wurde, und Susannah, die verbrannte –, außerdem zwei Vermisste. Dazu kommt eine andere Überlegung: Es könnte sein, dass es gerade die Außenseiter und die Einzelgänger sind, die sich vom Hexenkult angezogen fühlen. Vielleicht ist es bei ihnen auch wahrscheinlicher, dass sie einfach weglaufen und irgendwo untertauchen. Denken Sie an April Mathers Selbstmord. Womöglich sind manche Dinge wirklich das, wonach sie aussehen, nämlich tragische Geschichten und dumme Zufälle.«
Ich atmete schnaubend durch. Irgendwie kam mir das Ganze seltsam vor, außerdem hatte ich nach wie vor das Gefühl, dass Sarah in Gefahr war. »Und wenn Sie sich irren, was Mack Lowther betrifft?«, fragte ich. »Angenommen, er hat Rebecca Nurse gar nicht ermordet?«
»Wir wissen, dass Rebeccas Mörder auch die beiden anderen Frauen getötet hat. Das verrät uns die Art und Weise, wie sie gestorben sind. Die Knoten sind identisch, und das Profil des Mörders passt auf Lowther. Und das ist oft der beste Anhaltspunkt.«
»Wie meinen Sie das?«
»Dadurch wissen wir, dass der Mörder der drei Frauen ein weißer Mann aus Preston ist, so wie Mack Lowther.«
Überrascht schaute ich ihn an. »Und woher wissen Sie das?«
»Der Teil mit dem weißen Mann ist einfach«, erläuterte er. »Serienmörder sind immer Weiße, und alle Serienmörder, die mit brutaler Gewalt vorgehen, sind Männer. Serienmörderinnen töten anders als ihre männlichen Kollegen. Es handelt sich zum Beispiel um Krankenschwestern, die während ihrer Schicht Patienten töten. Frauen töten passiv, Männer morden aggressiv.«
»Und das mit dem Weißen?«, fragte ich. »Stimmt das tatsächlich?«
Joe lächelte, und das Funkeln in seinen Augen verriet mir, dass er sich bestens unterhielt. »Kriminologie ist eines meiner Hobbys. Seit ich bei der Mordkommission bin, halte ich mich immer auf dem Laufenden, was neueste Studien und Theorien angeht. Polizeiarbeit bedeutet, sich auf das wahrscheinlichste Szenario zu konzentrieren. Wenn man versteht, wie ein Krimineller denkt, grenzt das die Möglichkeiten ein, mit denen man sich beschäftigen muss. Und nach allem, was ich gelesen habe, sind Serienmörder ausnahmslos weiß.«
»Wie kommt das?«, fragte Laura.
»Das weiß niemand«, sagte Joe. »Oder es traut sich niemand, die Gründe dafür auszusprechen. Aber in jedem Fall liefert das Opfer den deutlichsten Hinweis, und in unseren Fällen war jedes Opfer weiß.« Er deutete auf den Karton mit den Akten. »Der Fundort liegt bei jedem Opfer in einiger Entfernung von der Stelle, an der die Frauen zuletzt gesehen wurden, also war ein Fahrzeug im Spiel, und in jedem Fall können wir davon ausgehen, dass der Täter den Mord geplant und sein Opfer beobachtet und ihm aufgelauert hat.«
»Woher wissen wir das?«
»Weil keine Meldungen eingegangen sind, dass jemand auf offener Straße entführt, in ein Auto gezerrt oder anderweitig überfallen und verschleppt wurde. Der Täter ist durch die Straßen gefahren, hat Ausschau gehalten nach seinem Opfer und geduldig auf den richtigen Moment gewartet. Und wie würden Sie die ethnische Zusammensetzung von Lancashire beschreiben?«
Ich dachte über die Gesichter nach, die mir auf den Straßen begegneten, an die Polen und Iraker, die herzogen, an die Arbeiterschicht aus Weißen, Pakistanis und Moslems. »Gemischt, würde ich sagen.«
»Richtig«, bestätigte Joe. »Und wo leben die Leute?«
Ich lächelte, als ich verstand, was er meinte. Weiße und Asiaten lebten jeweils für sich, zwar dicht an dicht, aber eine Seite sonderte sich von der anderen ab. »Getrennt voneinander.«
Er nickte bestätigend. »Wie
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