Hexenblut
Die sind doch auch nicht besser. Man wird einen Ghostwriter engagieren, der meine Memoiren schreibt, damit die Leute sie im Sommer am Strand lesen können, als ob das alles gar nichts wäre. Und der Richter?« Dan lachte auf. »Der wird schlaflose Nächte verbringen, weil er überlegt, wie er mich beschreiben soll, welche markanten Worte er benutzen könnte, die in die Geschichte eingehen werden. Seine Frau wird es nach einer Weile nicht mehr hören können, wenn er auf Dinnerpartys erzählt, wie eiskalt meine Augen waren, als man mich wegbrachte, blablabla. Ihr seid alle nur verdammte Schmarotzer. Jetzt hören Sie auf, irgendwelchen Mist zu reden, und stellen Sie mir die Frage, die Sie eigentlich am meisten interessiert: Wie fühlt es sich an, einen Menschen umzubringen?«
Ich versuchte, darauf nicht einzugehen, weil ich sein Spiel nicht mitmachen wollte, jedoch war das nicht so einfach. Ich spürte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat. »Aber es ging nicht um den Tod«, widersprach ich. »Es ging um Sex. Sie haben diese Frauen zuerst gevögelt. Haben Sie das den beiden erzählt?« Ich schaute zu Katie und Tom und hoffte auf eine Reaktion auf meine Worte, doch es geschah nichts. »Warum haben Sie das getan?«
»Das ist nicht das, was Sie interessiert«, beharrte Dan Mather. »Sie haben selbst schon Frauen gevögelt, Sie wissen, wie sich das anfühlt. Unten im Keller haben wir eine kleine Schlampe, die können wir ja auch mal fragen. Nein, Sie wollen etwas über das Töten wissen. Wie es sich anfühlt, wenn man zusieht, wie jemand seinen letzten Atemzug tut. Was empfindet das Opfer? Angst? Resignation? Erleichterung?«
»Darum geht es also«, sagte ich. »Ihnen kommt’s, wenn Sie die Angst Ihrer Opfer erleben.«
Daraufhin begann Dan Mather schallend zu lachen und sah zu Katie und Tom. Katie zeigte keine Regung, während Tom grinste. Dabei fiel mir auf, dass er ihren Arm festhielt, als fürchte er, sie könne davonlaufen.
»Es ist meine Story«, wandte ich mich erneut Dan zu. »Ich will die ganze Wahrheit wissen. Ich könnte sie für Sie erzählen, ich könnte sie zu den Menschen bringen. Was Sie denken, warum Sie es getan haben, wie es sich anfühlte.«
Dan wirbelte zu mir herum. »Sie haben die Wahl. Wenn Sie Ihre Story schreiben wollen, dann können Sie das tun. Nachdem ich Ihnen alles erzählt habe, lasse ich Sie gehen.«
Ich war skeptisch, aber dann wurde mir klar, wo der Haken war. »Und was ist mit Laura?«, fragte ich.
Wieder stellte sich Mather dicht vor mich, sodass ich mit dem Kopf erneut gegen die Wand prallte.
»Das ist die Wahl, die Sie haben, Mr Garrett. Denn heute ist das große Finale. Wenn Sie Ihre Story schreiben wollen, dann können Sie das tun. Sie stehen vor einer ganz einfachen Entscheidung: Einer von Ihnen wird sehr bald sterben – Sie oder Laura. Die Wahl überlasse ich Ihnen. Wird das nicht eine grandiose Story werden?« Er sah mir unerbittlich in die Augen. »Was glauben Sie, wer es sein wird?«
»Das ist keine Wahl«, widersprach ich ruhig.
Unwillkürlich verzog er den Mund zu einem gehässigen Grinsen und trat mir mit dem Stiefel gegen mein Schienbein. Ich schrie auf und kippte vor Schmerz fast vornüber.
»Es ist die einzige Wahlmöglichkeit, die Sie haben«, herrschte er mich an. »Einer von Ihnen wird mit dem Feuer Bekanntschaft machen, der andere wird überleben, um es allen zu erzählen. Also? Wer wird sterben, wer wird leben?«
»Aber warum jetzt?«
»Weil es der richtige Zeitpunkt ist«, erwiderte er.
Ich spürte die Klinge unter meinem Kinn, die Spitze drückte gegen meine Haut.
»Wenn Sie sterben wollen, dann kann ich das sofort erledigen. Ein schneller Schnitt, und es ist erledigt. Laura darf dann gehen.«
Ich zog meinen Kopf weg.
»Ist das Ihre Entscheidung, Mr Garrett? Laura soll leben?«
»Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich brauche mehr Zeit.«
Mather nickte. »Okay, Sie bekommen mehr Zeit. Aber wenn Sie zu lange warten, ist das Spiel vorbei, und Sie sterben beide.«
Ich kniff die Augen zu. »Ich muss mir erst mal einen Eindruck davon verschaffen, ob es überhaupt eine brauchbare Story ist«, sagte ich, um ihn möglichst lange hinzuhalten. »Vielleicht gibt es ja gar nichts Bemerkenswertes zu berichten. Also, erzählen Sie, wie das ist, wenn man jemanden umbringt.«
Dan Mather lachte spöttisch. »Wollen Sie das wirklich wissen?«
»Würde ich Sie sonst danach fragen?«
Einen Moment lang schwieg er. »Es ist nie ganz so, wie man glaubt, wie
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