Hexenerbe
nach einem Taxi.
Sie bekamen schließlich zwei Minivan-Taxis, und die Fahrt durch Seattle war ein Albtraum. Menschen rannten in kopflosem Entsetzen umher. Gebäude brannten. Sturzbäche wälzten sich durch Straßen und Kanäle wie die Flut, für die Noah seine Arche gebaut hatte.
»Schau, Holly«, sagte Amanda und deutete durch die Windschutzscheibe des Taxis nach oben.
Riesige Scharen von Vögeln zogen über den feurigen, regnerischen Himmel. Es waren Bussarde.
»Michael kann doch nicht allein für all das verantwortlich sein«, murmelte Holly. »So mächtig ist er nicht.«
»Er ist einer der mächtigsten Hexer, die je gelebt haben«, erwiderte Jer, der hinten neben Holly saß.
Sie wandte sich ihm zu und funkelte ihn an. »Du klingst, als wärst du stolz auf ihn.«
»Das will ich nicht«, erklärte er ehrlich, »aber vielleicht kann ich nicht anders.«
Der Taxifahrer war mutig. Im Schneckentempo wand er sich durch die Stadt, denn bei all dem Chaos und den vielen Gefahren hätte er gar nicht schneller fahren können. Hin und wieder murmelte er vor sich hin und berührte eine kleine Ikone auf seinem Armaturenbrett, als könnte sie ihn schützen. »Ihr seid vermutlich die Einzigen, die in die Stadt wollen«, bemerkte er.
»Wir haben etwas Wichtiges zu erledigen«, entgegnete Holly.
Sie hatten Glück, dass sie überhaupt die zwei Taxis ergattert hatten. Ihre beiden Fahrer waren als Einzige bereit gewesen, bis zum Haus der Andersons zu fahren. So viel Mut war allerdings nicht billig. Holly hatte jedem der Fahrer fünfhundert Dollar gezahlt, noch ehe sie am Flughafen losgefahren waren.
Der zweite Wagen hinter ihnen, in dem Nicole, Philippe, Alonzo, Armand, Pablo und Kari saßen, hupte laut, als eine bläulich weiße Gestalt in den Lichtkegel seiner Scheinwerfer taumelte.
Die wandelnden Toten, stellte Holly fest. Michael hat sich eine Armee beschafft.
Als die Taxis sie vor dem Haus der Andersons absetzten, war sie daher nicht überrascht, es von Zombies umringt zu sehen. Die beiden Minivans fuhren mit aufheulenden Motoren sofort wieder an und rasten die Straße entlang davon.
Große Teile der vorderen Veranda waren abgerissen worden, und die Toten benutzten die hölzernen Latten und Pfosten dazu, die Fenster und Türen im Erdgeschoss einzuschlagen, um ins Haus zu kommen. Im Licht des Mondes und der Brände sah Holly ihre schlaffen Gesichter, die blicklosen Augen, und sie dankte der Göttin, die ihr und den anderen die Idee eingegeben hatte, Richard, Tante Cecile und Dan Carter aus Seattle fortzuschicken. Obwohl das Haus leer war, konnten Amanda und Nicole kaum mit ansehen, wie ihr Zuhause in Stücke geschlagen wurde.
Wie verrückte Kreisel wirbelten Bussarde über dem Dach herum. Sie kreischten und lärmten triumphierend. Der Blick ihrer ausdruckslosen, harten Augen bohrte sich in Hollys, als sie die ersten Feuerbälle nach ihnen schleuderte und mehr als einmal damit traf. Jer und Armand taten es ihr gleich, aber die Vögel kreisten weiterhin über ihnen. Ja, es kamen sogar noch mehr hinzu, bis der Nachthimmel von Bussarden erfüllt war. Sie schwirrten um das Haus und stießen immer wieder mit schimmernden Klauen und scharfen Schnäbeln auf den Dreifachen Zirkel herab.
Dann bebte direkt vor Holly der Boden, und vor ihren Augen schoben sich Hände und Köpfe aus dem Matsch. Weitere Tote erhoben sich. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr, drehte sich um und schaute die Straße entlang. »O Gott. Nicole, sieh nicht hin!«, flehte sie ihre Cousine an, doch es war zu spät.
Der halb verweste Leichnam von Marie-Claire, Nicoles und Amandas Mutter, schlurfte schwerfällig heran. Es hing nur noch so wenig Fleisch an den Knochen, dass das Skelett sich ungelenk und ruckartig wie eine Marionette bewegte - wie ein Geschöpf, dessen Arme und Beine viel zu lang für seinen Körper waren. Ihr Gesicht war zur Hälfte von Maden zerfressen, und ein Auge fehlte. Das andere war milchig-trüb.
Nicole begann zu schreien. Philippe zog sie an sich und hielt sie fest. Tommy drückte Amanda an seine Brust.
Dann warf Philippe einen Feuerball auf das abscheuliche Ding, und trotz des starken Regens ging es wie ein Blatt Papier auf der Stelle in Flammen auf. Sekunden später war es verbrannt. Nur die verkohlten Knochen blieben übrig, der Rest sank als Asche auf den matschigen Boden herab und blieb dort liegen.
Wir haben keinen Grund hierzubleiben, erkannte Holly. Nichts zu gewinnen.
Dann kam ein Mann, den sie nicht
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