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Hexenerbe

Hexenerbe

Titel: Hexenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Viguié , Nancy Holder
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Stadt fahren, und Richard mietete ein Auto. Holly rief Silvana an, die etwas zu essen besorgte und schon damit auf sie wartete, als sie sie abholten. Silvana und Tante Cecile umarmten sich unter Tränen. Holly freute sich über die Dankbarkeit in Silvanas Gesicht, als diese sie ansah, noch mehr aber über die Vergebung, die sie aus Silvanas Blick las. Nicht, dass ich irgendjemandes Vergebung brauchte, dachte sie dann trotzig.
    Sie verschlangen ihre Hamburger und Pommes auf dem Weg zum Marin County General Hospital. Obwohl es schon weit nach Mitternacht war, hatte Holly keinerlei Schwierigkeiten, die Nachtschwester davon zu »überzeugen«, dass sie dringend Barbara Davis-Chin besuchen musste.
    »Ich muss Sie warnen, sie liegt immer noch im Koma«, erklärte die Frau, auf deren Namensschild ADDY stand. »Sie wird nicht mitbekommen, dass Sie da sind.«
    Holly nickte geistesabwesend, den Blick auf die schon halb geöffnete Zimmertür geheftet. Sie war pastellgrün gestrichen. In der Mitte war ein rechteckiger Halter aus durchsichtigem Kunststoff angebracht, in dem ein Klemmbrett mit Krankenunterlagen steckte. Auf der Akte stand DAVIS-CHIN, B. Holly sah plötzlich ihre Mutter vor sich, die beladen mit ähnlichen Krankenakten durch die Flure der Notaufnahme eilte und jedes Mal nach dem Namen schaute, ehe sie ans Bett eines Patienten trat. Das hatte Holly immer so erstaunt: Ihre Mutter kümmerte sich meist nur sehr kurz um die Leute, und dennoch war es ihr wichtig, ihre Namen zu kennen, eine gute Verbindung herzustellen, sich ganz auf sie zu konzentrieren.
    Sie fehlt mir so, dachte Holly, als sie einen scharfen Stich der Trauer spürte.
    Dann schob sie die Tür zu dem Krankenzimmer ganz auf und fiel beinahe in Ohnmacht.
    Barbara Davis-Chin lag genau so in ihrem Bett, wie Holly sie von ihrem letzten Besuch in Erinnerung hatte: blass und dünn und über Schläuche und Kabel mit allen möglichen Apparaten verbunden. Doch diesmal hockte buchstäblich ein Albtraum auf ihrer Brust.
    Das Geschöpf war buckelig, hatte spitze Ohren und ein langes, sehr schmales, kantiges Gesicht, und es grinste Holly boshaft an. Der Körper hatte die Farbe schmutziger Silbermünzen und war mit dreckigen, grauen Haaren bedeckt.
    Es hatte die Faust tief in Barbaras Brust gestoßen, und Holly konnte sehen, dass seine schmutzstarrenden Finger sich um Barbaras schlagendes Herz krallten. Das Geschöpf ließ Gift aus seinen eigenen Adern, die sich pulsierend auf seiner Haut wanden, in Barbaras Herz rinnen.
    Die ganze Zeit über kicherte es irre, und Holly begriff, dass niemand außer ihr es hören konnte.
    Sie dachte daran, zum Warteraum zurückzulaufen, wo Silvana und die anderen saßen. Doch dann riss sie sich zusammen und drehte sich zu der Krankenschwester um, die immer noch unter ihrem Zauber stand und offenkundig nicht sah oder hörte, was Holly sah und hörte. Sie sagte zu der Frau: »Sie können jetzt wieder ins Schwesternzimmer zurückkehren.«
    »Ja«, erwiderte die Schwester.
    Während die Frau das Zimmer verließ, ging Holly mit festem Schritt auf das Geschöpf zu. Es schob die Unterlippe vor - sie war leuchtend rot, als blute sie - und begann zu knurren.
    Holly wollte schon einen Schutzzauber sprechen, als ihr einfiel, dass sie jedes Mal, wenn sie zur Göttin betete, ein winziges Stückchen ihrer Seele opfern musste. Sie fragte sich, ob auch andere Hexen diesen Preis bezahlten oder ob es nur sie so viel kostete. Jedenfalls schloss sie den Mund wieder und entschied, sich diesen Nachtmahr - falls das einer sein sollte - allein vorzunehmen.
    Sie bewegte sich auf das Ding zu. Es lächelte völlig
    unbeeindruckt.
    Holly starrte das Wesen an und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit darauf. Dann geschah etwas Seltsames: Als hätte sie ihre Sinne mit seinen vertauscht, nahm sie Barbaras Pulsschlag wahr, das laute Pochen ihres Herzens - katumm, katumm -, und dann war sie nicht mehr sie selbst, sondern nur noch eine Präsenz, die am Arm des Wesens hinabschoss, über seine Faust und hinein in Barbaras Herz ...
    Das Herz der Finsternis. Dies ist der Mittelpunkt des Übels, der Träume, der Krankheit, die sie langsam tötet ...
    Holly war von albtraumhaften Schemen in einer verkrüppelten Landschaft umgeben. Sie wirbelte im Kreis herum, öffnete weit den Mund und schrie lautlos ...
    AUFHÖREN!
    Dann stand sie wieder vor Barbaras Bett und starrte den Nachtmahr an, der ihren Blick grinsend erwiderte und dann mit fröhlichem Geschnatter Barbara das Herz aus

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