Hexenerbe
der Stimme. Tommy schlang einen Arm um sie.
»Er glaubt sicher, dass er sie getötet hat, und in dem Zustand, in dem sie zurückgekommen ist, taucht sie auf seinem Radarschirm wahrscheinlich gar nicht auf«, vermutete Silvana.
Schweigen senkte sich über die Gruppe. In der Stille konnten sie Holly vor sich hinmurmeln hören. Alle kämpften gegen den Drang an, sich nach ihr umzuschauen, doch wenn man sie ansah, kam man sich vor wie ein Gaffer bei einem Autounfall. Der Anblick war so grauenvoll, dass es einem schwerfiel, nicht hinzusehen.
Einfach ausgedrückt: Holly war nicht mehr sie selbst.
Vor allem schien sie von so vielen Dämonen besessen zu sein, dass niemand so recht wusste, ob Holly überhaupt noch da drin war. Sie saß in einer Ecke, mit einer Zwangsjacke gefesselt, die Alonzo in einer nahe gelegenen Klinik beschafft hatte. Dabei hatte er auch ein starkes Beruhigungsmittel mitgehen lassen und
Kari bereits eine Tablette gegeben.
Mit einem kollektiven Schaudern wandten sie sich wieder einander zu. »Wir müssen etwas unternehmen. Wir können sie nicht einfach in diesem Zustand lassen«, sagte Amanda.
Sie streckte ihrer Schwester die Hand hin. Nicole blickte auf das Brandmal auf Amandas Handfläche hinab, dann auf ihr eigenes. Holly trug das letzte Drittel der Lilie. Gemeinsam gaben sie ein mächtiges Trio ab.
Entschlossen drückte sie die Hand an Amandas, und alle beide streckten den freien Arm nach Holly aus. Sie wurden rücklings durch den Raum geschleudert, krachten gegen die Wand und glitten daran hinab zu Boden.
»Okay«, sagte Amanda niedergeschlagen. »Wir können wohl nicht in ihre Nähe kommen.«
»Dann müssen wir es anders versuchen«, beharrte Nicole.
»Aber wie?«, fragte Silvana.
»Mit einem Exorzismus.« Sasha sprach das Wort aus, das bisher alle zwanghaft gemieden hatten. »Wir müssen versuchen, ihr die Dämonen auszutreiben.«
»Ist das möglich - ich meine, im Ernst?«, fragte Nicole an Philippe gewandt.
Philippe zog eine Augenbraue hoch. »Ich habe schon von so etwas gehört, aber noch nie eine Austreibung gesehen.« Die anderen Mitglieder seines Covens nickten zustimmend.
»Ich habe einmal einen Exorzismus gesehen, als ich noch ganz klein war«, berichtete Tante Cecile. »Meine Großmutter hat einem Mann einen Dämon ausgetrieben. Ich erinnere mich gut daran, welch entsetzliche Angst ich hatte.«
Nach einigem Raunen wandte die Gruppe sich Sasha zu. Da Holly außer Gefecht war und Jer fehlte - nun ja, jedenfalls sein Geist -, suchten sie irgendwie automatisch bei ihr nach Führung. Eigentlich hätte Philippe die Zügel in die Hand nehmen müssen, doch er hatte ihr subtil den Vortritt gelassen.
Aber nicht etwa, weil er Angst davor hätte, seine Leute zu führen, dachte Sasha. Er weiß nur, dass er und seine Gruppe relativ neu dazugestoßen sind und die anderen sich unter meiner Führung wohler fühlen würden. Das liegt teils daran, dass ich schon länger dabei und außerdem älter bin, teils aber auch daran, dass ich eine Frau bin. Sie schüttelte den Kopf. Er war wirklich ungewöhnlich klug für sein Alter.
»Amanda hat recht. Wir müssen es versuchen.« Sie blickte zu Holly hinüber. »Und das möglichst bald. Es wäre gefährlich, sie lange in diesem Zustand zu lassen. Sie besitzt so viel Macht, die nicht unkontrolliert bleiben oder in die falschen Hände geraten darf.« Sie holte tief Luft. »Wir versuchen es gleich heute Nacht.«
Michael, Seattle
»Heute Nacht«, verkündete Michael und lächelte Duc Laurent zu. »Heute Nacht kümmern wir uns um den restlichen Coven.«
Sein Ahnherr nickte. »Soweit ich weiß, gehört deine Frau jetzt auch dazu.«
Michael biss die Zähne zusammen. »Exfrau. Und ich finde, wir beide hätten uns schon längst einmal wieder miteinander unterhalten sollen.«
Duc Laurent lachte leise. »Weißt du, zu meiner Zeit gab es so etwas wie Exfrauen nicht. Da war deine Ehefrau entweder deine Frau, oder sie war ein Opfer.«
Michael lächelte. »Weißt du, ich glaube, damit hattet ihr ganz recht. Ich finde, es ist an der Zeit, gute alte Familientraditionen wieder aufleben zu lassen.«
»Da wir gerade von der Familie sprechen«, bemerkte Laurent. »Du solltest deinen älteren Sohn gut im Auge behalten.«
»Eli?« Michael winkte verächtlich ab. »Der ist harmlos. Außerdem würde er es nicht wagen, auch nur einen Finger gegen mich zu erheben.«
»Sei dir da nicht so sicher. Dass du Jeraud in der Traumzeit zurückgelassen hast, wo er endgültig
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