Hexenfluch: Roman (German Edition)
vollkommen verblüfft. Dann rieb er sich wie verlegen den Nacken. Das Lächeln war verschwunden. »Sie wussten es nicht.«
Ella hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Sie hatte geglaubt, dass Christian sie liebte. Christian Havreux. Aber dann war all das andere passiert, hatte sie erfahren, dass es Christian Havreux eigentlich gar nicht gab … Und Kristen Havebeeg … hatte sich als Ungeheuer entpuppt. Ohne es im ersten Moment selbst zu merken, ballte sie die Fäuste. Bis zu jenem Tag in dieser Gasse hatten die Dinge in ihrem Leben einen Sinn ergeben. Und jetzt?
Die Haltung des jungen Mannes änderte sich. Er runzelte die Stirn. »Sie glauben mir nicht.« Wenn es möglich war, wurde seine Verblüffung noch größer.
Es fiel ihr schwer, die Bitterkeit aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Ich kenne dich nicht. Wer sagt mir, dass …?«
Er unterbrach sie. »Stimmt. Wir kennen uns nicht. Und er würde mir den Kopf abreißen, wenn er wüsste, dass ich Ihnen das gesagt habe. Weil ich Sie damit in Gefahr bringe. Aber welchen Grund sollte ich haben, Sie anzulügen?« Seine Oberlippe zuckte, hob sich ein winziges Stück. »Sie können mir glauben oder nicht: Er liebt Sie. Warum sonst hätte er sich für Sie von Lyresha in Fetzen schneiden lassen sollen?« Ellas Magen zog sich zusammen. ›In Fetzen schneiden lassen‹? Da waren diese Schnitte auf Christians Brust und Schultern gewesen … »Ich nehme mal an, er dachte, das beruht auf Gegenseitigkeit.« Ein Kopfschütteln. »Dann kann ich nur hoffen, dass er nie herausfindet, wie sehr er sich geirrt hat.«
»›In Fetzen schneiden lassen‹? Was …«
»Das kann Ihnen doch egal sein«, fiel er ihr schroff ins Wort. »Vergessen Sie einfach, dass ich das gesagt habe.« Sein Mund hatte sich verzogen. Hart und auf eine kaum verhohlene Art zornig. »Wenn Sie ihm schon nicht helfen wollen, dann sagen Sie Ihren Freunden von diesem Zirkel …«
Ella stieß ein Zischen aus, machte einen Schritt auf ihn zu. »Ich werde gar nichts vergessen.« Sie hatte die Hände halb erhoben. Selbst nicht sicher, ob sie dazu bereit gewesen wäre, ihn an seinem Shirt zu packen und es notfalls aus ihm herauszuschütteln. »Was soll das heißen, er hat sich von dieser Dämonin ›in Fetzen schneiden lassen‹? Für mich.«
Er funkelte sie mit seinen hellgoldenen Augen an. »Es war in der Nacht, als sie uns in dem Club mit diesen Weibern gesehen hatten. Nachdem wir ›nach Hause‹«, die Worte klangen, als wären sie irgendetwas Ekelhaftes, »gekommen waren. Am nächsten Morgen, irgendwann am späten Vormittag, hat dieser Mistkerl Alexander mich ins Penthouse hinaufgeschleppt, weil sie befohlen hat, dass ich mich um meinen … Lehrer kümmere.« Er rieb sich über den Mund, als sei ihm plötzlich übel. »Überall war Blut. Regelrechte Lachen.« Der Ärger war aus seinem Ton verschwunden. Er schloss die Augen. »Ich wohne in der Etage unter seinem Penthouse.« Jetzt klang seine Stimme gequält. »Ich habe nichts mitbekommen. Absolut gar nichts.« Ella brauchte einen Moment, bis sie begriff. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Der junge Mann erwartete das offenbar auch gar nicht. Nach einem gepressten Atemzug öffnete er die Augen wieder und sprach weiter. »Er war oben im Bad. Die Dusche lief. Alexander hat mir einen Tiegel mit einer Salbe in die Hand gedrückt und mir gesagt, ich soll ihm ausrichten, sie hätte … Verwendung für ihn.« Er schluckte. »Sie hatte ihm die Haut regelrecht in Fetzen geschnitten. Am ganzen Körper.« Diesmal rammte er die Hände noch tiefer in die Hosentaschen. »Er kniete in der Dusche. Im ersten Moment dachte ich, er kann nicht mal mehr allein aufstehen.« Er sah zur Seite, die Lippen ein schmaler Strich. »Ich wusste zuerst nicht, warum sie das getan hat. Aber dann ging das Gerücht um, dass es etwas mit der Puppenspielerin zu tun hatte, die er ihr bringen sollte. Offenbar hatte Alexander plötzlich Beweise, dass er Lyresha, was diese neue Hexe betraf, hinterging und dass er sehr wohl wusste, wer und wo sie war. Und dass er sie für seine eigenen Zwecke benutzen wollte.«
Ella sank auf die Bank. Plötzlich war ihr so kalt, dass sie keinerlei Gefühl mehr in ihrem Körper hatte. »Sie hat ihn gefoltert, um Antworten zu bekommen«, flüsterte sie entsetzt. Und dass er sie für seine eigenen Zwecke benutzen wollte … Die Worte waren wie ein bitterer Nachgeschmack.
Der junge Mann nickte einmal steif.
Sie hatte die Schnitte gesehen. Der Schmerz
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