Hexenfluch: Roman (German Edition)
einen Moment die Beine vertreten. Als ich zurückkam, war er weg.«
Sie drehte sich zu dem Jungen um. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt. Das Begreifen sickerte nur langsam in ihren Verstand. Ella holte einmal tief Luft und biss die Zähne zusammen, während sie langsam nickte. Dieser elende Mistkerl.
40
Du hast dich also selbst entlassen?« Offenbar hielt er es nicht für nötig, die Tür weiter als diesen lächerlichen Spalt zu öffnen. Geschweige denn, sie hereinzubitten.
Dass Schuldbewusstsein bei ihren Worten über sein Gesicht huschte, war nur eine geringe Befriedigung, wenn sie an den Schrecken dachte, in ein leeres Krankenzimmer gekommen zu sein. Es dauerte allerdings nur einen Sekundenbruchteil, dann war seine Miene wieder kühl und beherrscht. Und … abweisend.
»Ja. – Wie hast du mich gefunden?«
Mikah. »Ich habe meine Quellen.« Es hatte selbst mit seinen ›Kontakten‹ zwei Tage gedauert, ihn aufzustöbern. Ella drückte die Tür weit genug auf, um sich an ihm vorbei in die Hotelsuite drängen zu können. Nicht, dass der Concierge am Empfang bereit gewesen war zuzugeben, dass er einen Gast mit dem Namen ›Christian Havreux‹ hatte. Geschweige denn, dass er in einer der Penthousesuiten wohnte. Auch als sie es ihm auf den Kopf zugesagt hatte. Vielleicht hatte ›Kristen Havebeeg‹ aber auch einfach wieder einen Namen abgelegt und einen anderen angenommen. Wie lange Mikah und seine beiden … Begleiter den Mann wohl davon abhalten konnten, ihr nachzulaufen?
»Möchtest du nicht reinkommen?« Spöttisch verzog er den Mund. »Lass mich raten: Der Wandlerbengel.« Sein Gesicht wirkte schmaler als noch vor zwei Tagen, die Wangenknochen schienen schärfer hervorzustehen.
»Er hat einen Namen«, beschied sie ihm über die Schulter, während sie einfach weiterging. Dabei war sie sich nicht mal sicher, mit welchem sie ihn ansprechen sollte. Christian? Kristen?
»Das weiß ich.« Auf eine Krücke gestützt, hinkte er hinter ihr her ins Wohnzimmer der Suite. Seine Schritte waren mehr als mühsam.
Bei seinem zynischen Ton ballte sie die Fäuste. Fest. »Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nicht hier. Und du auch nicht.« Der Ausblick war atemberaubend.
»Auch das weiß ich.« Nichts an seinem Tonfall änderte sich. Mit jedem seiner Worte wuchs in ihr mehr der Wunsch, ihn anzuschreien, etwas zu zerschlagen. »Nachdem du schon mal da bist und ich nicht den Eindruck habe, als würdest du mir den Gefallen tun und gleich wieder gehen: Willst du etwas trinken?« Höhnisch.
»Nein danke. Und wenn du nur die Hälfte der Schmerzmittel nimmst, die sie dir im Krankenhaus mitgegeben haben, solltest du es auch nicht.«
»Die Frau Doktor spricht.« Noch höhnischer als zuvor, geradezu ätzend. Mit jeder Sekunde fiel es ihr schwerer, sich zu beherrschen. Sie schaffte es nur, weil sie sich selbst daran erinnerte, dass er auch anders sein konnte. Und dass sie ihr Herz an diese andere Seite verloren hatte. Irgendwann. Ohne es zu Anfang wirklich zu merken. Vermutlich sogar vom ersten Augenblick an. Sie hörte das leise Gluckern einer Flüssigkeit und drehte sich um.
»Macht das eigentlich Spaß?«
»Was?« Er stellte die Whisky-Flasche zurück auf die Bar und griff nach dem Glas.
»Das Arschloch zu spielen.«
Mit einem Schulterzucken prostete er ihr zu. »Scheint so, als könnte ich das ganz gut.« Dass er vor Schmerz kurz zusammenzuckte, ließ die Geste nicht halb so nonchalant wirken, wie er es vermutlich beabsichtigte. »Was willst du hier, Ella?«
»Mit dir reden? Antworten?«
Auf seine so spöttische Art verzog er den Mund. »Hätte ich ja auch selbst drauf kommen können.« Er nippte an seinem Drink.
»Warum hast du dich selbst entlassen?«
Wieder ein Schulterzucken. Sehr viel vorsichtiger diesmal. »Ich hatte genug davon, die Decke anzustarren. Das Fernsehprogramm war auch nicht nach meinem Geschmack. Ebenso wenig wie die Gesellschaft.«
Ella biss die Zähne zusammen. Zählte bis zehn. Und noch mal. »Lass mich die Frage anders formulieren: Warum bist du davongelaufen?«
»Ich bin nicht ›davongelaufen‹.« Das Glas vorsichtig vor sich her balancierend, hinkte er auf sie zu. Nur um im letzten Moment die Richtung zu wechseln und auf das andere Ende des Sofas zuzuhalten.
»Ach? Nein? Und wie nennst du es dann, entgegen dem Rat jeden Arztes im California Medical auf deine Entlassung zu bestehen? Noch nicht mal eine Adresse – oder, Gott bewahre, auch nur eine Telefonnummer – zu
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