Hexenfluch: Roman (German Edition)
ihm einige zuwarfen, waren für ihn schon mehr als genug. Bah!
An der Bar aus schwarzem Stahl winkte er den Barkeeper heran.
»Was darf’s sein?« Der Mann musterte ihn von oben bis unten.
»Ich will zu Lucretio.« Wie beiläufig zog er einen Packen Geldscheine aus der Tasche und legte zwei davon vor sich auf den Tresen.
»Das wollen viele.« Scheinbar ungerührt griff der Mann nach einem Messer und begann, Zitronen in Spalten zu schneiden.
»Ich weiß.« Der nächste Schein.
»Und du bist?« Auf die Zitronenspalten folgten Ananasscheiben.
»Jeremy.« Kristen Havebeeg war ein Mythos, gehasst und gefürchtet. Und über 800 Jahre alt. Ein Hexenmeister, der seine Seele verkauft hatte – für mehr Macht, als je ein Sterblicher vor ihm besessen hatte. Für einige war er nur noch ein Geist. Für andere der willige Verbündete einer Dämonenfürstin, durch dunkle Mächte immer noch am Leben. Ein Mann Anfang, Mitte dreißig in Jeans, bei denen man nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob die abgeschabten Stellen vom übertriebenen Used-Look eines Stardesigners stammten oder ob sie tatsächlich so abgetragen waren, dass sie jeden Moment auseinanderfallen konnten, und einem ausgeblichenen Sweatshirt entsprach nicht ganz dem Bild, das die meisten erwarteten. Auch nicht die Kopfgeldjäger. Nur den Rubin hatte er aus dem Ohrläppchen genommen.
Schein Nummer vier wanderte auf den glänzenden Granit.
»Und weiter?«
»Nichts ›und weiter‹.« Nummer fünf.
Der Mann streckte die Hand nach dem Geld aus. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Kristen legte seine blitzschnell darüber. »Ich will zu Lucretio. Jetzt.« Auf seiner Haut regte sich der Bannfluch, als er seinen Worten Nachdruck verlieh. Unwillig zog Kristen seine Magie ein Stück zurück.
Auf der anderen Seite der Bar schluckte der Mann hart, wies mit einem abrupten Nicken zu einer schmalen Treppe keinen Meter neben Kristen. »Okay.«
Kristen nahm die Hand von der des anderen. Der kam hinter dem Tresen hervor, bedeutete Kristen, ihm zu folgen, und stieg die Stufen hinauf. Die Scheine hatte er in der Hosentasche verschwinden lassen.
Auf der kleinen Empore am Ende der Treppe war es erstaunlich ruhig, wenn man die Lautstärke der Musik bedachte, die den Boden ein Stockwerk tiefer unter den Bässen zum Vibrieren gebracht hatte. Magie. Die gleiche, die dafür sorgte, dass das Licht des guten Dutzends armdicker Kerzen, die in einem Halbkreis hinter einem jungen Mann in blendend weißem Anzug aufgestellt waren, auf ein mystisch-trübes Halbdunkel gedämpft wurde. Trotz der Spiegel hinter ihm. Ein Hüne von einem Kerl vertrat dem Barkeeper den Weg, als der sich dem jungen Mann nähern wollte, wurde aber beiseitegewunken. Kristen blieb auf der letzten Treppenstufe stehen. Die undurchsichtigen Fingernägel und goldenen Augen von Lucretios Bodyguard ließen keinen Zweifel daran, zu welcher Spezies er gehörte. So schnell änderten sich Geschäftspraktiken also. Der alte Wolf hätte niemals einen aus seinem Rudel für den Schutz von jemandem wie Lucretio hergegeben. Der neue Wolf – kein geringerer als der Bruder des alten – hatte damit offensichtlich nicht die geringsten Probleme. Dafür, dass der Hüne zum kalifornischen Rudel gehörte, sprach der schwere Bronzering an seiner Linken. Bedeutete das, der junge Wandler, den er gestern bei ihr und heute Morgen im Korridor vor Marishs Zimmern gesehen hatte, war so etwas wie eine freundschaftliche Leihgabe des neuen Wolfs? Oder sogar ein kleines Geschenk, um für zukünftige Geschäftsbeziehungen gut Wetter zu machen? Bisher hatten sich in der Regel nur abtrünnige Wandler bei ihr verdingt. Dem Rudel würde es nicht gefallen, wenn der neue Wolf sich tatsächlich mit einer Dämonenfürstin einließ. Nur: Sein Wille war Gesetz. Und ein Wandler ohne Rudel war so vollständig wie ein Mann, dem man das Herz herausschnitt. Solange ihr Dasein halbwegs erträglich blieb, würde es kein Rudelmitglied wagen zu rebellieren. Und nachdem der neue Wolf gerüchteweise sogar selbst dafür gesorgt haben sollte, dass der Platz seines Vorgängers und Bruders frei wurde …
Eine kurze Geste von Lucretio aus seinem Kerzenhalbkreis heraus beendete das hastige Flüstern des Barkeepers. In der gleichen Bewegung winkte er Kristen mit zwei Fingern zu sich heran, während der Barkeeper sich geradezu unterwürfig zurückzog. Kristen trat an den Glastisch. In die Platte waren kabbalistische Zeichen eingeätzt. Völlig sinn- und zweckfrei.
Weitere Kostenlose Bücher