Hexenfluch: Roman (German Edition)
blühen. Bisher war zwar nur ein Hauch von Farbe zu erkennen, aber sie würden schnell dunkler werden. Sehr schnell. Und schmerzhaft. Wann dem kleinen Mistkerl wohl klar wurde, was da mit ihm geschah?
Gemächlich stieg Kristen die Stufen hinunter. Von dem Barkeeper war nichts zu sehen. Ebenso wenig von Lucretios Bodyguard. Eigentlich hatte er erwartet, dass es bei dem Wandler-Hünen länger dauern würde. Andererseits war es gut möglich – wenn nicht sogar wahrscheinlich –, dass der das Geld deutlich länger in der Hand gehabt hatte als sein Herr und Meister.
Kristen schob die Hände in die Hosentaschen. Wenn man über Jahrhunderte immer wieder das Bett einer Dämonenfürstin teilte, wurde man irgendwann immun gegen ihr Gift. Und die meisten anderen ebenfalls. Weitestgehend zumindest. Das, mit dem er die Geldscheine präpariert hatte, würde bis zum Sonnenaufgang seine Wirkung verloren haben. Eine kleine Vorsichtsmaßnahme, damit kein Unschuldiger versehentlich mit dem Zeug in Kontakt kam. Er verzog die Lippen zu einem dünnen, ironischen Lächeln. Dass er seine Macht nur rudimentär gebrauchen konnte – freundlich ausgedrückt –, bedeutete nicht, dass er nicht in der Lage war, das ein oder andere Gift zu brauen. Im Gegenteil.
Das hustende Gurgeln am Ende der Stufen ging im Hämmern der Musik unter. Genauso wie das Splittern von Glas. Solange Lucretio niemand zu sich hinaufrief, würde es kaum jemand wagen, ihn zu stören. Und bis man hier unten Verdacht schöpfte … Dass sie die Cops holen würden, war unwahrscheinlich. Lucretio hatte genug Feinde, wusste mehr, als vielen Leuten lieb gewesen war. Alles potentielle Verdächtige. – Zu ihm gab es keine Verbindung.
Kristen trat von der letzten Stufe herunter, wandte sich zum Ausgang des Clubs. Eine Ratte weniger in seinem Revier. Er hatte schon ziemlich lange auf eine solche Gelegenheit gewartet.
Jenseits der Eingangstür holte Kristen tief Atem. Die Luft war kühl. Schmeckte nach Salz und Meer. Er beachtete die Menschen nicht, die ihm auf dem Weg zum Club entgegenkamen, sondern zog nachdenklich das Holznashorn aus der Hosentasche, drehte es in der Hand und betrachtete es.
Seine kleine Ärztin hatte ganz offensichtlich Beziehungsprobleme. Die Männer gaben ihr nicht, was sie brauchte, sondern ignorierten ihre Bedürfnisse. Dabei war sie anscheinend die Art Frau, die sich einen Partner wünschte, der Freund und Liebhaber zugleich war; der akzeptierte, dass ihr der Beruf über alles ging, und der wusste, wann sie nach einem schweren Tag eine Umarmung brauchte – und nur eine Umarmung, keinen Sex; einen Mann, der aufmerksam und zärtlich war; der wartete, bis sie zu ihm kam, und der keine Forderungen stellte; nicht versuchte, ihr Leben zu kontrollieren.
Ein kaltes, hartes Lächeln stahl sich in seinen Mundwinkel. Nichts war leichter für ihn, als die Sehnsüchte einer Frau zu bedienen. Er würde das Musterbeispiel eines aufmerksamen und zärtlichen Mannes sein. Die kleine Ärztin würde ihm aus der Hand fressen, ihn freiwillig in ihr Leben und letztendlich in ihr Bett lassen. Und genau das tun, was er von ihr wollte, wenn es soweit war.
Er schloss die Finger um die kleine Figur. Das Horn bohrte sich in seine Handfläche. Durchbrach die Haut. Einen Moment lang betrachtete er das Blut, das sich in den Linien sammelte, wischte es schließlich träge ab. 800 Jahre waren mehr als genug. Endgültig. Dabei konnte er nur hoffen, dass die Macht der kleinen Ärztin tatsächlich so groß war, wie er vermutete. Nun, er würde es herausfinden. Und falls nicht …
Er musste es einfach darauf ankommen lassen. Endlich wieder frei zu sein, war jedes Risiko wert. Ausnahmslos.
11
Ihr war schwindlig und heiß. Nein, nicht heiß. Sie schien zu verbrennen. Von innen heraus. Der hämmernde Schmerz in ihrem Schädel verzerrte alles um sie herum zu grellen Schlieren. Zum sie-wusste-nicht-wievielten Mal tastete Ella nach dem Griff, um wenigstens die Autotür öffnen zu können. Fand ihn nicht. Luft! Sie brauchte frische Luft! Ihr Magen zog sich zusammen. Galle füllte ihren Mund. Im letzten Moment konnte sie sie noch einmal runterschlucken.
Sie hatte keine Ahnung, wie sie es nach Hause geschafft hatte. Ohne Unfall. Im Krankenhaus war alles noch in bester Ordnung gewesen. Dr. Jacobs war zufrieden, ihre Verletzungen heilten gut. Alles war in bester Ordnung gewesen. Bis sie mit der jungen Frau in der Tiefgarage zusammengestoßen war. Einer jungen Frau mit
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