Hexenfluch: Roman (German Edition)
Zumindest in dieser Anordnung.
»Du bist also Jeremy.« Lucretio stützte die Ellbogen auf die Armlehnen seines Designersessels und legte die Fingerspitzen gegeneinander. Himmelblaue Augen musterten Kristen unter einem schwarzen, modisch kurz geschnittenen, gekonnt zerzausten Haarschopf. Aus dem Gesicht eines Engels heraus. Glaubte man dem Gerede, hatte bei Lucretios Entstehung tatsächlich einer die Finger im Spiel gehabt. Kristen tippte allerdings eher auf Inkubus.
Hinter dem Stuhl Lucretio gegenüber blieb er stehen. »Ja.«
Der legte den Kopf zur Seite. »Und du hast Fragen, die ich dir beantworten soll?«
»Ja.« Er schloss die Hände um die geschwungene Lehne.
Lucretios Augen wanderten einmal an ihm auf und ab. »Meine Dienste kosten dich 500 Dollar. Kannst du dir das leisten?« Er hob eine perfekt gezupfte schwarze Braue. »Oder zahlst du in …«, ein spöttisches Lächeln und ein neuerlicher Blick, der diesmal für einen eindeutigen Moment unterhalb von Kristens Gürtel hängenblieb, ehe er zu seinem Gesicht zurückkehrte, »… sagen wir, in … Naturalien?«
Sekundenlang erwiderte Kristen den Blick schweigend, schob schließlich die Hand in die Hosentasche, zog den Packen Geldscheine hervor, zählte die fünfhundert ab, ohne darauf zu sehen, beugte sich langsam vor und legte sie auf den Tisch. »Nein.« Er würde das, was nach ihrer Unterhaltung kam, mehr als genießen. Vielleicht sollte er seinen Plan ändern und doch noch so lange bleiben, bis die Wirkung einsetzte?
Lucretio gab ein leises Schnalzen von sich, während er nach dem Geld griff. »Wie schade.« Das Stirnrunzeln, mit dem er Kristen einmal mehr bedachte, war in dem Dämmerlicht kaum auszumachen. »Du kommst mir bekannt vor. Habe ich dich schon mal gesehen?«
Kristen lächelte seinerseits. »Nein.« Er ließ den Rest des Packens wieder in der Tasche verschwinden. »Wenn, würdest du dich sicher sehr genau an mich erinnern.«
»Wahrscheinlich.« Mit einem Nicken wies der junge Mann auf den Stuhl, während er die Scheine zusammenfaltete und zu einem kleinen Bündel weiterer in eine goldene Geldklammer steckte. »Setz dich.«
Kristen glitt auf den Sitz, sah zu dem Wandler hinüber. »Er bleibt aber nicht?«, erkundigte er sich wie beiläufig und legte dabei gerade genug Magie in seine Stimme, um Wirkung zu zeigen. Und zu wenig, um den Bannfluch zu stören.
Das Geld schon halb wieder in die Innentasche des Jacketts geschoben, verharrte Lucretios Hand. Eine Sekunde musterte er Kristen erneut, als versuche er abzuschätzen, ob er eine Gefahr darstellte, dann streckte er seinem Bodyguard die Geldklammer hin. »Bring das in den Safe. Du kannst wiederkommen, wenn mein Gast hier geht.« Er ignorierte das Knurren des Hünen, hielt ihm das Bündel Scheine nur weiter ungerührt entgegen. Endlich griff der Mann danach.
Kristen verbiss sich ein böses Lächeln, als der Wandler auf die Treppe zusteuerte, die Scheine noch immer in der Hand. Ein Zeuge weniger.
Erst nachdem die Schritte auf den Stufen verklungen waren, lehnte Lucretio sich ein winziges Stück vor. Sein dunkelblaues Seidenhemd klaffte auf und entblößte eine glatte, fahle Brust.
»Also: Was genau kann ich für dich tun?«
Abermals ohne sein Gegenüber aus den Augen zu lassen, griff Kristen in die andere Hosentasche und zog die kleine Holzfigur aus dem Haus der Ärztin daraus hervor.
»Ich will wissen, was dieses Tierchen gesehen hat.«
Lucretio beugte sich weiter vor, streckte die Hand nach dem geschnitzten Nashorn aus. »Bezogen auf eine bestimmte Person?«
»Seine Besitzerin. Und ihre Ex-Beziehungen.« Zu seinem eigenen Erstaunen widerstrebte es ihm, dem anderen die Figur zu überlassen. Trotzdem tat er es, sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu berühren. Die Gefahr, dass der kleine Mistkerl dabei spürte, dass er mehr als genug Macht besaß, um das Scanning selbst zu machen, war zu groß. Denn wie auch immer man es drehte: Lucretio war gut.
»Ich verstehe.« Ein Lächeln erschien auf den Lippen des jungen Mannes, das in Kristen den Wunsch weckte, es ihm auf seine ganz persönliche Weise wieder aus dem Gesicht zu wischen. – Ja, er würde das hier später genießen. Definitiv.
Die Ellbogen auf den Tisch gestützt, drehte Lucretio das kaum fingergroße Nashorn hin und her, betrachtete es von allen Seiten, nickte schließlich. »In Ordnung. Es hängen genug Emotionen daran, dass ich dir sagen kann, was du wissen willst.«
Was für ein bodenloser Blödsinn. Im allerletzten
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