Hexenfluch: Roman (German Edition)
fühlten ihre Wangen sich heiß an. Sie sah unbenutzt aus. Und sie konnte sich auch nicht daran erinnern, sie gebraucht zu haben … Oder doch?
Schritte kündigten Havreux’ Rückkehr aus der Küche an. Seltsam unsicher blickte Ella auf. Die Art, wie er sie eben noch vom Sessel aus beobachtet hatte … Das Raubtier war fort. Da war nur ein betörend gutaussehender Mann, der nicht mehr viel mit dem Geschäftsmann im Anzug gemeinsam zu haben schien, den sie kennengelernt hatte. Wahrscheinlich war es nie da gewesen. Ihre Sinne mussten ihr einen Streich gespielt haben. Oder das Licht. Im Gegenteil. Wie er jetzt auf sie zukam, wirkte er geradezu … harmlos. Obwohl er noch immer nichts sagte. Vielleicht lag es an der Kaffeetasse, die er in den Händen hatte?
»Was ist passiert?« So gut es ging, rutschte Ella ein Stückchen höher gegen die Lehne, versuchte, sich noch weiter in die Senkrechte zu schieben. Und sich dort zu halten. Ungeschickt raffte sie die Decke ein wenig mehr um sich. Ihre Sachen fühlten sich klamm und verschwitzt an. Plötzlich sehnte sie sich nach einer Dusche. Während sie zugleich hoffte, dass Havreux sich seit ihrem Abendessen vor zwei Tagen eine massive Erkältung zugezogen hatte – oder zumindest unter Heuschnupfen litt. »Wie lange war ich … bewusstlos?« Sie konnte sich nicht vorstellen, geschlafen zu haben.
»Ungefähr drei Stunden. Mit ein paar kurzen Unterbrechungen.« In einer fließend-eleganten Bewegung kniete er sich neben sie auf den Boden. Wie … selbstverständlich. »Ich habe Sie draußen auf Ihrer Auffahrt in Ihrem Auto gefunden.« Seine Augen lagen unverwandt in ihren. »Über alles andere reden wir später.« Er hielt ihr die Tasse hin. »Austrinken!«
Ella beäugte sie skeptisch. »Was ist das?« Irgendwie unbehaglich drückte sie die Hände in die Decke.
»Medizin.« In mildem Spott verzog Havreux den Mund. »Keine Sorge. Ich habe nicht vor, Sie zu vergiften.« Er gab sie ihr in die Hände. Dampf kräuselte sich darüber. »Das Zeug hat Ihnen vorhin schon geholfen.« Hastig griff Ella zu. Wenn sie den Inhalt nicht in ihrem Schoß haben wollte, hatte sie gar keine andere Wahl. Mit einem Nicken wies er auf die Tasse. »Austrinken!«
»Und Sie haben wann Medizin studiert?« Sie hasste es, so schwach zu sein, so hilflos. Hilflos bedeutete verletzlich. Und das wollte sie nie wieder sein. Entsprechend feindselig war ihr Tonfall eben gewesen. Havreux schien es nicht zu kümmern. Auch nicht, dass sie misstrauisch an dem Inhalt der Tasse schnupperte.
»Gar nicht.« Nichts an seiner Haltung hatte sich geändert.
Der Geruch, der ihr entgegenstieg, war würzig. Mit einem Hauch von Süße. Vorsichtig nippte sie an der klaren, dunkelgrünen Flüssigkeit.
»Aber ich erkenne einen kalten Entzug, wenn ich ihn sehe.«
Ella verschluckte sich. Musste husten. Die Flüssigkeit schwappte gefährlich.
Selbst als sie nach Sekunden endlich wieder halbwegs genug Luft zum Sprechen hatte, klang sie noch immer atemlos. Sie redete sich ein, vor Empörung. »Entzug? Ich … nehme keine … Drogen!« Auf der Decke in ihrem Schoß war ein feuchter Fleck.
Havreux hatte ihr die Tasse wieder aus den Händen genommen. »Das habe ich auch nicht gesagt.«
Mit einem scharfen Schnauben schüttelte Ella den Kopf. Dass der Raum um sie herum ins Schwanken geriet, ließ sie die Bewegung sofort bereuen. »Und woher glauben Sie überhaupt einen kalten Entzug zu kennen?« Sie rieb sich die Stirn.
»Von der Straße.«
»Von der Straße?« Um ein Haar hätte sie sich erneut verschluckt. Er?
Ihr Blick musste nicht misszuverstehen gewesen sein. Für einen kurzen Moment huschte ein hartes Lächeln um seine Lippen. »Ja, Dr. Thorens, von der Straße. Kaum zu glauben, was? Aber ich war nicht immer das, was ich heute bin.«
Unbehaglich wich Ella seinen Augen aus. »Verraten Sie mir auch noch, wie ich Ihrer Meinung nach zu einem kalten Entzug gekommen bin, wenn ich keine Drogen nehme?« Ihr Ton war noch feindseliger als zuvor.
»Das sage ich Ihnen, wenn Sie den Tee ausgetrunken haben.« Er gab ihr die Tasse zurück. »Also bitte: Runter damit!«
Ellas Blick war mörderisch. Havreux verzog nur einmal mehr spöttisch den Mund, während er beobachtete, wie sie die Tasse Schluck um Schluck leerte. Als sie fertig war, nahm er sie ihr erneut aus den Händen und stellte sie neben sich auf den Couchtisch. Die Spätnachmittagssonne verlieh dem Holz die Farbe von Honig.
»Ich höre.« Sie konnte geradezu spüren,
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