Hexenfluch: Roman (German Edition)
wie sich die warme Flüssigkeit in ihrem Magen ausbreitete – und von da aus weiter in ihrem ganzen Körper, die Reste von Schmerz und Übelkeit noch mehr vergehen ließ.
Mit einem Schlag war jeglicher Spott aus Havreux’ Miene verschwunden. Sekundenlang sah er ihr in die Augen, als würde er darin nach etwas … suchen. Schließlich stieß er ein leises Seufzen aus und rieb sich den Nacken. »Glauben Sie an Magie, Dr. Thorens?«, erkundigte er sich nach einem weiteren Moment.
»Magie?«, wiederholte Ella, nicht sicher, ob sie in Gelächter ausbrechen sollte. So ein Blödsinn! Was wollte er ihr da erzählen? Trotzdem hatte sich bei seinen Worten in ihrem Innern etwas zusammengezogen.
Er nickte. »Magie. – Oder auch Hexerei, wenn Sie wollen.«
»Sie meinen solche Sachen wie Liebeszauber und Flüche? Kartenlegen? Aus dem Kaffeesatz lesen? Zauberstäbe, Glaskugeln und all das?« Warum zum Teufel zitterten ihre Hände? Sie schob sie hastig zwischen die Falten der Decke und betete, dass er es nicht bemerkte. Ohne selbst zu wissen, weshalb. »Wie bei Harry Potter?«
Havreux verzog das Gesicht, als habe er plötzlich Zahnschmerzen. »Irgendjemand sollte in der Zeit zurückgehen und verhindern, dass Mrs. Rowling diese elenden Bücher schreibt.«
Ella konnte nicht sagen, ob sie sein Knurren hatte verstehen sollen. »Kann man das denn? In der Zeit zurückgehen?« Was redete sie da? Sie hatte doch nicht etwa vor, ihm zu glauben? Magie existierte nicht! Ebenso wenig wie Wunder. Es musste eine andere Erklärung für das alles geben!
»Nein. Leider. Oder zum Glück. Wie man es sehen will.« Genauso geschmeidig, wie er sich eben noch neben dem Sofa auf den Boden gekniet hatte, stand er auf, ging wieder zu dem Sessel auf der anderen Seite des Tisches hinüber und ließ sich daraufsinken. Abermals forschten seine Augen in ihren. »Also? Glauben Sie an Magie, Dr. Thorens?«
»Nein.« Sie legte alles, was sie an Entschiedenheit aufbringen konnte, in dieses eine Wort. Und hoffte, dass es genug war.
Wie zuvor schlug er die Beine übereinander, den Knöchel auf dem Knie, die Hand locker darum. »Dann würde ich vorschlagen, dass Sie besser damit anfangen.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Mein vollster.«
»Ist das hier versteckte Kamera oder so etwas?« Ihre Finger waren eiskalt.
»Nein.«
»Das ist nicht witzig.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Dr. Thorens.« Er lehnte sich ein winziges Stück vor, schloss die Hand fester um seinen Knöchel. »Haben Sie denn eine andere Erklärung für das, was passiert ist, Ella? In der Gasse, als sie mich berührt haben? Oder wie Sie zu einem kalten Entzug kommen, wenn Sie keine Drogen nehmen?«
Wie weich seine Stimme plötzlich klang. Warum zum Teufel fühlte ihr Name aus seinem Mund sich an wie Seide auf der Haut? Um ein Haar hätte sie den Kopf geschüttelt, um den Gedanken zu vertreiben. Und den warmen Schauer, der ihr über den Rücken rann. »Dr. Thorens.«
»Was?« Sichtlich verwirrt runzelte er die Stirn.
»Ich habe Ihnen nicht erlaubt, mich bei meinem Vornamen zu nennen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde zogen seine Brauen sich noch weiter zusammen. Unwillig diesmal. »Ich bitte um Verzeihung. Dr. Thorens. Natürlich.« Seine Miene entspannte sich wieder. »Also, Dr. Thorens: Gibt es eine andere Erklärung?«
»Ich habe keine Ahnung, Mr. Havreux. Aber Magie … Nein. Das ist … bodenloser Blödsinn.«
Einen Moment musterte er sie, nickte dann abrupt. »In Ordnung.« Es klang angespannt. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie hören sich meine Erklärung dafür an. In aller Ruhe. Ohne Vorurteile. Falls Sie irgendetwas nicht verstehen, fragen Sie. – Vielleicht ergibt das, was ich sage, ja doch für Sie Sinn. Und dann entscheiden Sie, was Sie glauben oder nicht. Einverstanden?«
Die Art, wie er ihr in die Augen sah … Ella nickte zögerlich. Beinah … gegen ihren Willen. »Okay.«
Havreux nahm das Bein herunter, beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie. Das Grau seiner Iris schien dunkler geworden zu sein. »In der Gasse, als Sie mir das Leben gerettet haben, Dr. Thorens, wie hat es sich da angefühlt? – Als Sie mich berührt haben.«
Ella versteifte sich. »Als ich …«
Schatten und Dunkelheit waren explodiert und über ihr zusammengestürzt. Sie hatte gespürt, wie das Leben aus seinem Körper geströmt war; ein eiskalter Schauer in den Tiefen ihrer Knochen, kaum, dass sie in seine Nähe gekommen war, ihn erreicht, ihn berührt
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