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Hexenfluch: Roman (German Edition)

Hexenfluch: Roman (German Edition)

Titel: Hexenfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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konnte. Solange der Tumor in ihrem Kopf noch nicht zu groß war. Keine Medikamente, wenn ihre Mädchen sie besuchten! Ella hatte diesem Wunsch nur widerwillig zugestimmt. Und bewunderte Marisol Martinez jeden Tag mehr für ihre Kraft. Die inzwischen so unglaublich schnell schwand.
    Rodrigo hob die knochige Hand seiner Frau an seine Lippen und sagte etwas. Lächelnd strich sie ihm übers Gesicht.
    Gestern Abend hatte er Ella noch einmal um ein Gespräch gebeten. Wieder und wieder gesagt: Egal, was es kostete, er würde das Geld für die Behandlung seiner Frau aufbringen. Irgendwie. Nach wie vor weigerte er sich zu akzeptieren, dass der Tumor zu spät entdeckt worden war und obendrein noch an einer Stelle saß, an der selbst der Versuch einer Operation Mord gewesen wäre.
    Marisol Martinez starb. Eine junge Frau von gerade mal achtundzwanzig Jahren, die, abgesehen von dem, was in ihrem Kopf wuchs, bis vor wenigen Monaten kerngesund gewesen war. Niemand konnte es verhindern. Du könntest es! Ella schloss die Augen und schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans. Wenn der Tumor nur ein paar Millimeter kleiner wäre, nur einen halben Zentimeter weiter hinten-unten säße …
    Sie presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Es war ihre Entscheidung gewesen, nichts mit der Hexerei, nichts mit dieser anderen Welt in den Schatten zu tun haben zu wollen. Nur genau so viel zu lernen, wie sie brauchte, um wieder als Ärztin arbeiten zu können, um andere Menschen berühren zu können, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Krankheiten oder Verletzungen – und sei es nur ein eingerissenes Nagelbett – auf sie übersprangen. Genau so viel, wie sie brauchte, um in ihr altes, normales Leben zurückkehren zu können. Ohne ihre Gabe benutzen zu können.
    Ihre Barriere stand. Trotzdem hatte Havreux ihr eingeschärft, es erst einmal langsam angehen zu lassen, direkten Hautkontakt zu vermeiden, wenn sie müde oder unkonzentriert war. Und er erinnerte sie nach jeder ihrer Stunden wieder daran.
    Sie öffnete die Augen, schaute wieder durch die Trennscheibe ins Krankenzimmer von Marisol Martinez. Die Mädchen hatten sich rechts und links von ihrer Mutter auf dem Bett zusammengekuschelt und hörten ihrem Vater zu, der aus einem Buch vorlas. Marisol hatte die Lider geschlossen. Die tiefen Linien in ihrem Gesicht verkündeten nur zu deutlich, wie sehr sie dieser Besuch wieder erschöpft hatte. Zum Glück blieb Rodrigo nie länger als eine Stunde, wenn er die Mädchen dabeihatte. – Irrte sie sich, oder waren ihre Wangen gestern noch nicht ganz so eingefallen gewesen?
    Du könntest verhindern, dass sie stirbt. Die Stimme hatte sich immer wieder in ihre Gedanken geschlichen, seit der Alltag sie seit einer Woche wiederhatte …
    Das Handy summte neben ihrer Hand. Hastig zerrte sie es aus ihrer Hosentasche und warf einen schnellen Blick auf das Display. Unbekannt. Hoffentlich war das Havreux. Vor nicht ganz zwei Stunden hatte sie ihn angerufen, um ihm zu sagen, dass es bei ihr später wurde. Wie beim letzten Mal – dem ersten Mal, dass sie überhaupt versucht hatte, ihn per Handy zu erreichen – war ihr Klingeln unbeantwortet geblieben. Damals hatte er binnen weniger Minuten zurückgerufen – heute hatte es deutlich länger gedauert. Beinah hatte sie befürchtet, er hätte ihren Anruf gar nicht bemerkt.
    Sie ging ran, ehe es erneut klingeln konnte. »Thorens?«
    »Havreux. – Sie hatten mich angerufen, Ella. Tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde. Ich war in einer Besprechung. Was gibt es? Ist etwas passiert?« Wie immer klang seine Stimme dunkel und weich.
    »Nein, es ist nichts passiert. Ich … ich wollte Ihnen nur sagen, dass es bei mir später wird.«
    Schuldbewusst verzog sie das Gesicht. Genau genommen waren sie in einer knappen Viertelstunde bei ihr zu Hause verabredet. Vermutlich war er schon auf dem Weg.
    Schweigen. Dann: »Okay. Alles klar. Können Sie abschätzen, wie viel später es wird? Oder andersherum: Wann soll ich da sein?«
    Sie rieb sich über die Stirn. Am Ende des Korridors sah ein Mann zu ihr her, musterte sie aufmerksam. In den letzten Tagen hatte sie ihn mehrmals hier auf der Station gesehen. Allerdings wusste keine der Schwestern oder Pfleger, wen er besuchte. Und ob überhaupt. Die Art, wie er sie ansah … unwillkürlich schauderte sie. Wenn er morgen auch wieder auftauchte, würde sie den Sicherheitsdienst rufen. »Sagen wir in …«, sie warf einen schnellen Blick auf die Uhr, » … anderthalb

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