Hexenfluch: Roman (German Edition)
glänzte auf dem silbergrauen Lack von Havreux’ Mercedes; wie immer parkte er direkt hinter ihrem Impala. Der Motor erstarb. Ella unterdrückte ein Stöhnen. Und fragte sich gleichzeitig, warum es ihr so unangenehm war, dass Havreux ihren Ex-Freund kennenlernte. Weil sie sich davor fürchtete, was er über sie denken könnte, wenn er herausfand, mit was für einem Esel sie zusammen gewesen war? Ohne Hast stieg Christian Havreux aus und verharrte einen Moment nahezu reglos neben seinem Wagen, die Hand an der offenen Tür, und sah zu ihnen her. Seine Augen wurden schmal … Und plötzlich wirkte er seltsam … gefährlich. Als hätte der Christian Havreux, den sie kannte, unbemerkt einen Schritt zur Seite gemacht und an seiner Stelle stünde jetzt ein ganz anderer Mann – der ihm nur täuschend ähnlich sah. Und um den herum sich die Schatten zusammenzuziehen, dunkler zu werden schienen, tiefer, bedrohlicher …
Dann schloss er die Autotür und kam anscheinend vollkommen entspannt auf sie zu. Und erinnerte Ella gleichzeitig an ein Raubtier, das genau wusste, dass sein Opfer keine Chance hatte. Er bedachte Roland mit einem flüchtigen Nicken, während seine Augen unverwandt auf Ella lagen.
Einen knappen halben Meter hinter ihrem Ex blieb er stehen. »Irgendwelche Probleme?« Scheinbar gelassen schob er den Autoschlüssel in die Hosentasche.
Ella schloss die Finger fester um den Türgriff. Ihr war nur zu bewusst, wie Roland Havreux musterte, ihn geradezu taxierte, die verwaschenen Jeans und das einfache Hemd mit dem Mercedes-Cabrio auf einen Nenner zu bringen, eventuell herauszufinden versuchte, wo die Schwachpunkte des anderen waren. Ihr Mund war trocken. »Nein. Keine Probleme. Roland wollte gerade seine Sachen aus der Garage holen und dann gehen.«
Wie erstaunt drehte Roland sich zu ihr um. »Was ist mit dem Kaffee, Honey …«
»Hol deine Sachen und verschwinde endlich, Roland!«
»Ach, komm schon, Honey! Gib mir eine zweite Chance …«
»Ganz offenbar will sie das nicht.« Die Hände noch immer in den Hosentaschen, bewegte Havreux sich an Roland vorbei, bis er neben der Haustür stand.
Rolands Lippen wurden zu einem dünnen, harten Strich. Wie zuvor wanderte sein Blick an Havreux auf und ab. »Und Sie sind …?« Aus jedem seiner Worte sprach pure Feindseligkeit.
Havreux’ Lächeln jagte Ella eine Gänsehaut den Rücken hinab. ›Der Kerl, der dir den Arsch aufreißt, wenn du nicht bald verschwindest‹, schien es zu sagen. »Soll ich Ihnen helfen, Ihre Sachen aus der Garage zu holen, oder schaffen Sie das allein, Roland?« Im selben Tonfall hätte er eine alte Dame fragen können, ob er ihr über die Straße helfen durfte. Roland ballte die Hände zu Fäusten – und schluckte ein paar Mal krampfhaft.
»Okay, das reicht!« Mit einer entschiedenen Bewegung öffnete Ella die Tür weiter, drängte sich zwischen die beiden. Weder brauchte sie einen Ritter in weißer Rüstung noch zwei Kerle, die sich ihretwegen am Ende vor ihrer Haustür an die Kehle gingen. Nicht, dass auch nur einer von beiden ein Recht darauf hätte. Sie schob das Kinn vor. Havreux machte unter ihrem Blick einen Schritt zurück. Mit ihm würde sie sich später befassen. Das Raubtier blieb. Ebenso die Schatten und die Gefahr. Sie funkelte ihren Ex an. »Du verschwindest, Roland. Jetzt. Ob mit oder ohne deine Sachen, ist mir egal. Oder ich rufe die Cops. Wir sind fertig miteinander.«
Seine Augen huschten von ihr zu Havreux. Wieder schluckte er. Und plötzlich wurde Ella klar, dass das keine Arroganz mehr in seinem Blick war – vielleicht hatte er die Veränderung nicht bemerkt, die sie bei Havreux zu sehen geglaubt hatte. Aber offenbar hatte irgendein Teil in seinem Verstand begriffen, dass er hier gerade nicht das Alphamännchen war. Eine Art uralter Überlebensinstinkt, der dafür verantwortlich war, dass die männliche Hälfte der Menschheit sich nicht schon vor Jahrtausenden gegenseitig ausgelöscht hatte? Und jetzt hatte er keine Ahnung, wie er aus dieser Situation rauskam, ohne dass es aussah, als würde er den Schwanz einziehen. Ein Roland Piers verließ den Platz nur als Sieger … Der Blick, mit dem er sie bedachte, war wütend. Dann zischte er: »Das wirst du noch bereuen«, machte kehrt und marschierte die Einfahrt hinunter.
»Fahr zur Hölle!« Offenbar würden seine Sachen noch etwas länger in ihrer Garage stehen. Auch gut. Notfalls gab es Boten. Und Mülltonnen. Neben ihr rührte Havreux sich nicht, sondern
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