Hexenfluch: Roman (German Edition)
Problem stellte, wie er sie weiter verbergen konnte. Wenn sie ihre Gabe benutzte, während er in ihrer Nähe war, konnte er sie beinah allein durch seine Anwesenheit überlagern. – Aber er konnte nun mal nicht permanent bei ihr sein.
Mit einer abrupten Bewegung löste er sich von dem Platz hinter der Tür und ging tiefer in die dunkle Lagerhalle hinein. Selbst blind hätte er sich hier zurechtgefunden. Zwischen all den kleinen und großen Kisten und Kästen. So verpackt, dass sie notfalls nur auf einen Anruf hin sofort fortgeschafft werden konnten. Dinge, die einfach nur unter Tüchern verborgen oder sorgfältig in Folie eingeschlagen waren. Dinge, die sich in der ganzen Zeit seiner elenden Existenz angesammelt hatten. Die er hatte verschwinden lassen wollen, weil sie zu mächtig waren, um zu riskieren, dass sie Lyresha oder einer ihrer Kleinen in die Hände fielen. Oder Aaron. Dinge, bei denen allein der Gedanke für ihn unerträglich war, dass sie sie in die Finger bekommen könnte … Dinge, die er unbemerkt aus den Ruinen auf Helgoland hatte retten können. Damals.
Es gab Mittel und Wege, seine kleine Ärztin verborgen zu halten, auch wenn er nicht da war. Nur erforderte das deutlich mehr Macht, als Lyresha ihm von seiner zu benutzen erlaubte. Gut, er hätte zu einem der Hexer gehen können, die diese Art Amulette für zahlende Kunden anfertigten. Allerdings musste er absolut sicher sein können, dass es sie verbarg, egal, wie viel von ihrer Gabe sie einsetzte. Das wiederum hieß, der entsprechende Hexer musste mächtig sein und extrem viel seiner Macht in die Zauber des Amuletts hineinfließen lassen. Was zwangsläufig zur Folge haben würde, dass er oder sie sich zu sehr dafür interessierte, für wen dieses Amulett war. – Allein die Information, dass ein solches Amulett in Auftrag gegeben worden war, ließ sich in gewissen Kreisen teuer verkaufen. Dieses Risiko würde er bei seiner kleinen Ärztin nicht eingehen. Also hatte er gar keine andere Wahl, als das Amulett doch selbst anzufertigen. Und den Preis dafür zu bezahlen.
Im hinteren Teil der Halle blieb Kristen schließlich vor einer der Kisten stehen, nahm den Deckel herunter, griff in die Holzwolle, zog, ohne lange suchen zu müssen, das kleine Alabasterkästchen daraus hervor, stellte es auf die Ecke und öffnete es. Die Kette lag ganz obenauf. Auf dem bestickten Gürtel, dessen Gelb inzwischen beinah gänzlich verblasst war, den Bändern, dem nahezu vollständig verbrannten Stofffetzen, der von Majtes Hochzeitskleid übrig geblieben war …
Er nahm sie heraus. Das Silber war angelaufen. Der Bernstein daran war ungefähr so lang wie sein Daumen und von einem dunklen, klaren Grün. Kristen ließ ihn von der Kette baumeln. In seinem Inneren waren eine Ameise und ein kleines Stück eines Blattes eingeschlossen. Er hätte der alten Frida nicht erlauben dürfen, ihn Majte abzunehmen. Sein Vater hatte ihn für sie mit uralten und mächtigen Zaubern belegt, die sie vor jeglicher dämonischer Magie beschützt hätten. Wenn sie ihn getragen hätte. Damals. Bei der Geburt ihres Sohnes. Er schloss die Finger härter um die Kette. Die alte Hexe hatte den Tag nicht überlebt, an dem Lyresha ihm erzählt hatte, welchen Anteil sie an Majtes Tod hatte. Und dem seines Sohnes … Majte. Seine Majte. Sie hatte nicht mehr aufgehört zu bluten …
Kristen verdrängte die Bilder, ließ den Bernstein beinah übertrieben vorsichtig in seine Handfläche gleiten, die Kette daraufrieseln. Das, was an Magie noch daranhing, würde ihm jetzt helfen, bedeutete es doch, dass er bei dem Zauber für Ella nicht bei null anfangen musste.
Er streifte die Kette über den Kopf, suchte sich eine freie Stelle zwischen den Kisten, stellte die Tüte auf den Boden und machte sich daran, alles vorzubereiten: die Kerzen, die Kristalle, die Kräuter … Sosehr er diese selbsternannten Hexen und Hexenmeister verabscheute, ein Gutes hatte ihre Existenz: Was er früher unter Lebensgefahr hatte beschaffen müssen, konnte man jetzt an jeder Ecke in einem dieser Esoterikläden legal kaufen.
Schließlich kniete er sich in die Mitte des Bannkreises. Er würde nicht verhindern, dass der Bannfluch erwachte und ihn für das, was er gleich tun würde, bezahlen ließ – er regte sich ja schon unruhig auf seiner Haut, seit er den Bernstein aus dem Kästchen genommen hatte … Als würde Majte sich daran erinnern … Aber zumindest konnte er so dafür sorgen, dass Lyresha nicht spürte, wo er
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