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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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herum.
    Eine Weile betrachtete er sie schweigend. Welch außergewöhnliche Grazie sie selbst bei einer so ordinären Verrichtung wie dem Verzehr eines Hühnerschenkels ausstrahlte! »Wie alt seid Ihr?«
    »Fünfzehn.«
    Prächtig, dachte Froissy. Somit ist sie alt genug, vermählt zu werden. »Hat man Euch schon jemandem versprochen?«
    Luna legte den Schenkel beiseite und griff nach dem nächsten. »Was meinst du?«
    Froissy hüstelte verlegen. »Haben Eure Eltern Euch schon einem Mann zum Weibe versprochen?«
    »Nein«, war die einsilbige Antwort. Sie sah ihn an. »Warum stellst du diese merkwürdigen Fragen?«
    »Aus Neugier«, sagte Froissy. Anscheinend wusste dieses unschuldige Mädchen wirklich nicht, worauf er hinauswollte. Er beschloss, es vorerst dabei zu belassen. Apropos … Es galt, noch ein recht delikates Detail zu klären. »Habt Ihr je mit einem Manne eine Nacht verbracht?« Froissy trank einen Schluck Wein.
    Verständnislos runzelte Luna die Stirn. »Natürlich. Sehr viele Nächte.«
    Froissy verschluckte sich. »Oh! Tatsächlich?« Er hustete.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass ich mit meinen Freunden reise.«
    Froissy atmete erleichtert auf. Dieses dumme Kind hegte in der Tat nicht den geringsten Verdacht. »Verzeiht«, sagte er. »Ich habe Euch wohl missverstanden.«
    Luna warf den abgenagten Hühnerschenkel auf den Tisch und stand auf. »Ich möchte zurück zu meinen Freunden.«
    Auch Froissy erhob sich. »Bleibt doch noch eine Weile und leistet mir Gesellschaft«, bat er. »Ich führe Euch durch meine Burg. Es gibt viel zu entdecken.« Er setzte das lauterste Lächeln auf, dessen er fähig war.
    »Nein«, protestierte sie. »Ich will zurück. Auf der Stelle!«
    Nur schwer konnte Froissy das heftige Verlangen unterdrücken, das freche Mädchen hier und jetzt zu züchtigen. Was bildete dieses Bauernkind sich ein? Doch kaum blickte er Luna wieder tief in die Augen, verließ ihn sein Groll. Aber er konnte sie nicht ziehen lassen. Nur, wie würde es ihm gelingen, sie freiwillig zum Bleiben zu bewegen? Da kam ihm eine Idee. »Wäre es Euch genehm, wenn ich Eure Freunde auf die Burg bringen ließe? Dann wäret Ihr vereint, hättet einen warmen Schlafplatz und die köstlichsten Speisen.«
    Luna überlegte kurz. »Gut«, sagte sie. »Schaff meine Freunde her, und ich bleibe.«
    Froissy klatschte begeistert in die Hände. Carcastilla erschien. Froissy winkte ihn zu sich. »Führe die Männer und das Weib aus dem Quartier auf die Burg, und weise ihnen Kammern zu«, flüsterte er. »Stell Wachen vor ihre Türen, und lass sie keinen Moment aus den Augen.«
    Wie immer nickte Carcastilla nur stumm und verschwand.
    Froissy lächelte. »Bitte, liebste Luna, setzt Euch wieder, und kostet von der ausgezeichneten Konkavelite. Die Kirschen stammen aus meinen eigenen Plantagen, die Mandeln aus Antiochia.« Er beobachtete, wie sie neugierig einen Löffel in die rosafarbene Masse tauchte und ihn dann zu ihrem Mund führte. Und unter dem Tisch rieb Froissy sich voller Vorfreude die Hände.

    »Sie ist schon zu lange fort!«, tobte Amicus und trat wütend gegen die Wand.
    »Wir können hier nichts ausrichten«, sagte Raphael. Auch er war voller Sorge, sah es jedoch als seine Pflicht an, Ruhe und Gelassenheit zu verbreiten.
    »Was meint Ihr, geschieht mit Luna?«, fragte Pierre. Seine Stimme zitterte.
    »Gar nichts«, sagte Raphael. Er sandte eine stumme Botschaft an Juda: Warum nur habt Ihr uns an diesen Ort geführt, alter Mann?
    »Gleich müssten die Wachen mit dem Mittagsmahl auftauchen«, sagte Amicus. »Schlagen wir sie nieder, und befreien das Kind!«
    »Glaubt Ihr wirklich, dass wir auch nur in Lunas Nähe kämen?«, fragte Jeanne.
    »In der Tat«, pflichtete Raphael ihr bei. »Man würde uns erschlagen, noch bevor wir durch das Stadttor sind.«
    Amicus spie auf den Boden. »Bleibt hier, wenn Ihr wollt. Ich gehe in die Burg!« Er stellte sich neben die Tür.
    »Ich gehe mit dir«, sagte Pierre. Tapfer postierte er sich neben Amicus.
    Mit einem Rasseln wurde die Tür aufgeschlossen. Amicus war bereit, den Männern den Schädel einzuschlagen. Pierre stand wacker hinter ihm. Doch als sie die Gestalt wahrnahmen, die das Quartier betrat, zogen sie die Hände flink zurück. Es waren nicht die bekannten Soldaten, sondern ein schwarz gekleideter Mann mit schwarzem Haar und narbenentstelltem Gesicht. »Mein Name ist Gonzalo Carcastilla«, sagte der Unbekannte mit spanischem Akzent. »Ich habe Weisung, euch auf die Burg zu

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