Hexengericht
Herrn. Ihr dürft das Mädchen nicht freien.«
»Warum nicht? Sie ist alt genug.«
»Sie findet keinerlei Gefallen an Euch, Monseigneur.«
Froissy lachte. »Sie wird im Laufe der Jahre schon Gefallen an mir finden. Zudem wird gut für sie gesorgt. Drum zieht weiter eures Weges, und kümmert euch nicht um sie.«
»Es ist nicht Gottes Wille, dass sie bei Euch bleibt«, erwiderte Raphael. Seine Stimme gewann an Schärfe. Wie sollte er diesen alten Mann nur von dessen Vorhaben abbringen?
»Was weiß ein Bauerntölpel wie du schon von Gottes Willen?«
»Genug, um zu verstehen, dass Er andere Pläne mit dem Mädchen hat. Sie ist ein außergewöhnliches Geschöpf, Monseigneur. Ich bitte Euch untertänigst: Lasst von ihr ab.«
»Schluss mit dem Geschwätz!«, herrschte Froissy ihn an. »Du wolltest mich sprechen, das hast du getan. Nun zurück in deine Kammer.« Er erhob sich.
Raphael wollte etwas entgegnen, aber Carcastilla packte ihn unsanft am Arm und zerrte ihn fort. Dabei fiel das Hautstück mit dem Idolum aus Raphaels Tasche zu Boden.
Froissy hatte es bemerkt und rief Carcastilla zu: »Warte!« Er hob den Fetzen auf und betrachtete ihn lange. »Woher hast du das?«
»Auf meiner Reise gefunden«, sagte Raphael.
»Wo genau?«, wollte Froissy wissen.
»In den Bergen«, log Raphael. Er war sicher, dass der Marquis das Idolum erkannte. »Die Fratze ist Euch bekannt, Monseigneur?«
»Gewiss«, flüsterte Froissy. Er schien plötzlich der Welt entrückt zu sein. »Dies ist das Gesicht Asmodis.«
»Asmodi?«, echote Raphael. Er konnte es nicht glauben. Blitzartig suchte er im Geiste alle Hinweise auf diesen Namen zusammen, die er je gelesen hatte. Im Alten Testament wurde Asmodi im Buch Tobias erwähnt. Dort wurde er beschrieben als zorniger, lustbesessener Dämon, der Sara, die Tochter Raguels, geliebt haben sollte und deren sieben Ehemänner tötete. Tobias, der Sara auch liebte und ehelichen wollte, bezwang den Dämon mithilfe des Erzengels … Raphael fuhr innerlich zusammen. Der Erzengel, der Tobias und Sara zu Hilfe eilte und den Dämon besiegte, trug seinen eigenen Namen: Raphael! Konnte dies ein Zufall sein? Er wischte seine Überraschung beiseite und überlegte weiter. Der jüdische Talmud nannte ihn Aschmedai, was so viel hieß wie ›Zerstörer‹. Der Talmud sagte, dass Asmodi mit Salomo verbündet war und diesem half, den Tempel von Jerusalem zu bauen. Auch an Salomos sündigem, ausschweifendem Lebenswandel sollte er schuldig gewesen sein. Aber warum war ein Abbild des bösen Oberhaupts der Dämonen in die Haut eines einfachen Dominikaners gestochen worden? Ein finsterer Geist, der in maßlosester Weise nach weiblichem Fleisch und Wein gierte. Er ahnte, dass die Antwort auf diese Frage unmittelbar mit Prior Henri le Brasse in Verbindung stand – und womöglich noch viel größere Kreise zog, als er sich augenblicklich vorzustellen vermochte.
Froissy gewann seine Fassung zurück. »Jetzt sag mir, woher du diesen Fetzen hast, gottloser Bursche!«
»Ich sagte Euch doch, dass ich ihn in den Bergen fand, Monseigneur.«
Froissys Hand schnellte vor und packte Raphael an der Gugel. »Noch eine Lüge, und ich lasse dir die Zunge herausschneiden. Jetzt sprich!«
»Ein Händler in Cruzy verkaufte ihn mir«, sagte Raphael. Zum ersten Mal spürte er Angst. Er hoffte, dass der Marquis ihm diese Lüge abkaufte. »Das Bild gefiel mir, so nahm ich es mit.«
Eine Weile starrte Froissy Raphael prüfend an. Schließlich ließ von ihm ab.
»Bitte, Monseigneur«, sagte Raphael. »Was wisst Ihr über dieses Idolum?«
Unwillig wiegte Froissy den Kopf. »Die Katharer beteten Asmodi an. Heimlich natürlich.«
»Die Katharer?«, wiederholte Raphael. Das Rätsel wurde immer noch geheimnisvoller. »Die Bewegung gilt seit über hundert Jahren als ausgelöscht.«
»Du befindest dich in Okzitanien.« Froissy lachte auf. »Der Glaube der Ketzer wird hier in alle Ewigkeit Bestand haben.« Mit ernster Stimme fuhr er fort: »Bist du ein Ketzer?«
Schlagartig wich die Farbe aus Raphaels Gesicht. »Ich, Monseigneur?«, fragte Raphael. »Ich bin ein gottesfürchtiger Katholik. Das schwöre ich im Namen des Herrn.«
»Schon manchem Manne ist ein falscher Schwur leicht über die Lippen gekommen. Danach baumelte sein Leib umso schwerer am Galgen.«
»Es ist die Wahrheit, Monseigneur.« Mehr gab es für Raphael nicht zu sagen. Jetzt wusste er genug, um Gewissheit zu haben, dass sie nur so lange am Leben blieben, wie Luna dem
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