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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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der zuckte nur mit den Achseln.
    Juda ben Zekharya stand auf und kam auf die drei zu.
    »Wie steht es um sie, Maître?«, fragte Raphael.
    »Der schwarze Tod hält sie fest in seinem Griff«, antwortete Juda. »Noch einen Tag und eine Nacht ohne Behandlung, und sie wäre in die andere Wirklichkeit hinübergegangen.«
    »Demnach glaubt Ihr, Ihr könnt sie heilen, Maître?«, fragte Amicus.
    Der Medicus nickte. »Gewiss«, sagte er. »Aber nennt mich Juda.«
    »Wir fühlen uns geehrt, Rabbi Juda«, sagte Raphael und verneigte sich.
    »Nur Juda.« Der Arzt lächelte. »Und nun bringt sie in mein Haus. Wir wollen diese Seele dem Satan aus seinen Klauen reißen.«
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte Raphael zu Jeanne und Amicus. »Ihr helft Juda, damit er unverzüglich mit der Behandlung beginnen kann. Ich warte hier auf Pierre.«
    Jeanne nickte. Amicus befestigte die Trage am Sattel, dann verstauten sie die wenigen Habseligkeiten und brachen auf.
    »Ihr wollt wirklich warten?«, fragte Juda, der auf Lunas Pferd saß.
    »Ja«, antwortete Raphael. »Unser Freund kann nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wir folgen Euch sofort.«
    Unschlüssig sah Juda ihn an. Es schien, als wollte er noch etwas sagen, dann aber nickte er nur, und sie setzten sich in Bewegung.
    Lange sah Raphael den Freunden nach. Nun hieß es warten.
    Stunde um Stunde verging. Die Stadt erwachte. Doch war es ein anderes Erwachen als jenes, das er aus Rouen kannte. Kein Kindergeschrei, kein Hundegebell, keine Marktweiber. Nur die Totengräber machten sich an die Arbeit, um die Leichen der Nacht fortzuschaffen.
    Irgendwann war es Mittag, und Pierre war noch immer nicht zurückgekehrt. Irgendetwas stimmte nicht. Pierre war ein gewissenhafter, verlässlicher junger Mann. In steter Sorge um Luna. Raphael überlegte. Sollte er noch länger warten? Nein, er musste wissen, wie es den anderen ging. Hatte der jüdische Arzt Luna helfen können?
    Er schwang sich auf den Rücken seines Pferdes. Der Weg zu Judas Haus war ihm noch gut im Gedächtnis. Dort angekommen, sprang er aus dem Sattel und lief durch den Garten.
    Jeanne musste ihn gesehen haben, denn sie öffnete die Tür, noch ehe er anklopfen konnte. »Wo ist Pierre?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht«, keuchte Raphael. »Wo sind die anderen?«
    »Oben«, sagte Jeanne. »Ich führe Euch.«
    In einer Kammer, in der zwei Betten, eine Kommode und ein Tischchen standen, fand er die anderen vor. Amicus hockte auf der Bettkante und kühlte Lunas Stirn mit feuchten Tüchern.
    Er sah auf, als Raphael eintrat. »Pierre ist nicht bei Euch?«, fragte er.
    Raphael schüttelte den Kopf. »Wo ist Juda?«
    »Im Unland«, antwortete Jeanne. »Er wollte Pilze suchen, die tief im Boden wachsen.«
    »Juda sammelt Pilze?« Raphael konnte kaum glauben, was er hörte.
    Jeanne nickte. »Er sagte, sie würden Luna heilen.«
    »Wie auch immer«, seufzte Raphael. »Wir müssen den Jungen suchen. Es muss etwas Schlimmes geschehen sein.«
    »Ich gehe allein«, sagte Amicus und stand auf. »Ihr und Madame Gousset benötigt Schlaf.«
    Raphael wollte widersprechen, aber er gestand sich ein, dass Amicus Recht hatte. Körper und Geist benötigten eine Ruhepause. Also sagte er: »Geht, bester Freund, und findet Pierre.«
    Amicus stand auf, streichelte noch einmal liebevoll Lunas Gesicht, nickte Raphael und Jeanne zu und ging hinaus.
    »Legt Euch schlafen, Madame«, sagte Raphael. »Ich wache bei Luna, bis Juda zurück ist.«
    »Habt Dank«, sagte Jeanne. »Juda gab uns Schlafplätze im unteren Geschoss. Ruft mich, wenn Ihr mich braucht.«
    »Schlaft gut«, sagte Raphael. Er wartete noch, bis Jeanne fort war, dann setzte er sich auf die Bettkante. Er nahm das Tuch von Lunas Stirn, tauchte es in die Schüssel mit kaltem Wasser, wrang es aus und tupfte damit über ihr Gesicht. Das Fieber schien mit jeder Stunde zu steigen. »Mein Kind«, sagte er, »du wirst wieder gesund. Das verspreche ich dir.«
    In diesem Moment hörte er, wie unten jemand die Tür öffnete und schloss. Schleppende Schritte kamen die Stufen hinauf. Die Tür zur Kammer öffnete sich, und Juda kam herein. Er lächelte. »Habt Ihr Euren Freund gefunden?«
    »Nein«, antwortete Raphael.
    »Euer großer Freund wird es schon schaffen«, sagte Juda.
    »Ihr habt gefunden, wonach Ihr suchtet?«, fragte Raphael mit Blick auf den braunen Beutel in Judas Händen.
    »Gewiss.« Juda lächelte. »Aus diesen Pilzen bereite ich einen Sud, der Luna innerhalb weniger Tage gesunden lässt.

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