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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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diesem Ort nicht zu denken. Die einladenden Stühle und Bänke beachtete er nicht, stattdessen las er jeden Titel. Verzückt blieb er immer wieder stehen. Er fand die Werke von Aristoteles, Platon, Pythagoras und Sokrates, die Schriften von Heraklit, Zenon von Elea, Leukipp und Abu Musa Jâbir Ibn Hayyân. Da standen Bücher vor ihm, von denen er niemals geahnt hatte, dass sie noch existierten.
    In einem anderen Regal entdeckte er allerlei Medizinisches: Traktate über die Anatomie, die Aphorismen des Hippokrates, illustrierte Bücher mit detaillierten Zeichnungen des menschlichen Körpers, vornehmlich von arabischen Ärzten wie Ibn el Baitar, Alhazen und Ibn Ali Hosaibah verfasste Schriften. Bücher, für die Rabbi Juda hunderte Male auf den Scheiterhaufen gebracht werden könnte.
    Immer wieder griff Raphael ein Buch heraus. Hier Die Konkordanz von Jean de Saint-Amand, dort Die Konkordanz von Pierre de Saint-Flour. Hier Galens berühmtes De usu partium , hier Albucassis’ Die Lehre von den Gegengiften und gleich daneben Nicolaus Myrepsus’ Die geläuterte Lehre von den Gegengiften.
    Ein ungewöhnliches Regal im hinteren Bereich der Bibliothek erregte Raphaels Aufmerksamkeit. Es war viel größer als die anderen und mit hebräischen Schriftzeichen verziert. Raphael studierte die Verse und erkannte, dass sie aus der Mischna und Gemara stammten, die zusammen den Talmud bildeten, jenes jüdische Gesetzes- und Religionswerk. Er fand den Midrasch Halacha neben dem Midrasch Haggada, die Tossefta neben dem Pentateuch, den die Juden Thora nannten.
    In der untersten Reihe fiel ihm ein unscheinbares Buch in die Hände. Der Einband aus braunem Leder hatte keine Beschriftung. Er schlug es auf und las leise die hebräischen Zeichen: » Das Buch der Drogen .« Mit einem Knall schlug er es zu. Das war unmöglich! Das konnte nicht sein! Noch einmal klappte er es auf. Er glaubte, den Titel womöglich falsch übersetzt zu haben. Aber er hatte sich nicht geirrt. Mit dem Buch in den Händen sank er zu Boden.
    »Glaubt es ruhig«, sagte Juda, der auf einmal in der Tür stand. Er ging zu Raphael. »Es ist das Buch Salomons.«
    »Dieses Buch ist ein Phantom«, sagte Raphael. Er war zutiefst erschüttert. »Es existiert nicht. Es ist ein Hirngespinst.«
    »Und doch haltet Ihr es in Euren Händen, seht es mit Euren eigenen Augen.«
    »Aber …«, stotterte Raphael, »aber wie ist so etwas möglich?«
    »Es gibt nur zwei Exemplare dieses Buchs«, sagte Juda. »Das eine liegt in den geheimen Archiven des Heiligen Stuhls. Das zweite haltet Ihr in Händen.«
    »Unfassbar«, murmelte Raphael. »Habt Ihr Euer Wissen um die Heilung des schwarzen Todes aus diesem Buch?«
    Juda nickte.
    Raphael fuhr mit der Hand unter die Gugel und kratzte sich am Kopf. »Wenn die Kirche im Besitz dieses Buchs ist, warum heilt sie dann nicht all die armen Seelen von der Pein? Warum lässt der Heilige Stuhl hunderttausende elendig sterben?«
    Juda lächelte mild. »Dieses Buch verleiht seinem Besitzer ungeheure Macht. Macht über die Unwissenden. Sogar Macht über den Teufel.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Die Pest erzeugt Angst«, erklärte Juda, und Raphael nickte. »Angst, die die Kirche nur noch mehr schürt, indem sie von Sünden und Höllenqualen predigt. Und allein die Kirche ist im Besitz der Mittel, um all die armen Seelen vor der Hölle zu bewahren. Manchmal genügen ein paar Münzen, manchmal ein Schwein oder auch ein Kind, um sich von seinen Sünden reinzuwaschen. Der Segen der Priester in dieser Welt bringt Segen in der anderen Welt. Weitab von Höllenfeuern und Dämonen.«
    »Ich glaube, ich verstehe, was Ihr meint«, sagte Raphael. »Das Fundament kirchlicher Macht ist die Angst. Aber wo bleibt die Liebe Christi?«
    Der Medicus lachte. »Das dürft Ihr einen Juden nicht fragen, Bruder Raphael.«
    Raphael war so verwirrt und erschüttert darüber, dass der Papst ein derart teuflisches Spiel trieb, dass er Judas letzte Bemerkung fast überhört hätte. Aber dann blickte er auf. »Wie habt Ihr mich genannt?«
    Wieder lachte Juda. »Ihr habt recht gehört.«
    »Woher wisst Ihr …?«
    »Ich weiß es«, sagte Juda. »Das sollte Euch vorerst reichen. Also nehmt diese lächerliche Maskerade ab. In diesem Hause seid Ihr sicher. So wahr ich Juda ben Zekharya ibn Tibbon heiße.«
    Bedächtig schob Raphael die Kapuze in den Nacken. Die Tonsur würde schon in wenigen Wochen nicht mehr zu erkennen sein. »Gestattet mir noch eine Frage.«
    »Fragt.«
    »Da Ihr das

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