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Hexengift

Titel: Hexengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Pratt
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Kopfsteinpflaster, vorbei an den ächzenden, flatternden Gebäuden. Die Straße machte eine Biegung und endete dann vor einem mit Gras bewachsenen Platz, der von üppigen Bäumen umstanden war, deren Äste über und über mit leuchtend orangefarbenen Früchten bedeckt waren. In der Mitte des Platzes saß eine Frau auf einer Steinbank.
    Hingehen oder beobachten? Doch noch bevor Marla eine Entscheidung treffen konnte, drehte die Frau sich in ihre Richtung und winkte sie heran. Sie hatte bauschiges, karamellfarbenes Haar; ihre Kleidung war von einem blassen Gelb, bis auf den schwarzen Schal um ihren Hals. Sie kam Marla vage bekannt vor, wie ein Bild aus einem Traum.

    »Wie heißen Sie?«, fragte die Frau, sobald Marla auf Rufweite herangekommen war.
    Marla ignorierte sie und spähte stattdessen angestrengt in die Baumkronen, um sicherzugehen, dass niemand ihr auflauerte.
    »Ich bin Genevieve. Haben Sie sich verirrt?«
    Genevieve? Verdammt. Die Frau war die Flüchtige aus Dr. Huschs Institut, und dieser … Ort … war ihrer, auf gewisse Weise. Eine kleine Tasche im Universum, ein Schnipsel der Traumzeit, eine real gewordene Halluzination; außer Genevieve war tatsächlich eine Manipulatorin und hatte Felport in dieses Gebilde aus Kopfsteinpflaster und Orangen verwandelt.
    »Ja, ich glaube, ich habe mich verirrt«, sagte Marla schließlich und musterte Genevieve von oben bis unten: Ende zwanzig bis Anfang dreißig, wahrscheinlich etwas jünger als Marla selbst - abgesehen davon, dass sie in Wahrheit natürlich weit älter war -, ein gewinnendes Lächeln und verwirrend violette Augen. Nicht besonders hübsch, von den Augen einmal abgesehen.
    »Sie sind hier in Sicherheit«, sagte Genevieve und tätschelte mit der flachen Hand den freien Platz neben sich.
    Marla blieb lieber stehen. »Ich wusste gar nicht, dass ich in Gefahr war.«
    Die Frau neigte den Kopf, als lausche sie auf ein Geräusch in der Ferne, und einen Moment lang glaubte Marla, sie höre Fetzen eines Popsongs, der irgendwo aus einem alten Transistorradio schepperte; dann übertönte der Wind das Geräusch. »Er geht jetzt weiter, aber Sie sollten besser noch ein bisschen warten.«

    »Wer geht weiter?«
    »Er … er ist gefährlich«, sagte Genevieve. »Er wird Ihnen wehtun. Das macht ihm Spaß. Frauen wehzutun. Sie sind nicht sicher vor ihm. Aber es macht mir nichts aus, Ihnen Zuflucht zu geben. Immerhin schulde ich Ihnen etwas; ohne Sie wäre ich …« Sie verstummte abrupt und legte sich eine Hand auf die Stirn; eine Geste, die Marla auf qualvolle Weise bekannt vorkam. Marlas Mutter hatte an Migräne gelitten, und jedes Mal, wenn ein besonders schlimmer Anfall im Anrollen gewesen war, hatte sie sich die Hand in genau der gleichen Weise auf die Stirn gelegt. »Sie haben mir geholfen?«, sagte Genevieve plötzlich. Es war mehr eine Frage als eine Aussage; mehr an sich selbst gerichtet als an Marla.
    »Das glaube ich kaum«, entgegnete Marla. Doch dann stieg eine Erinnerung in ihr auf, die Art vorbeiziehender, verschwommener Bilder, die sie aus ihren Träumen kannte. »Sind Sie nicht die Frau, die ich vor kurzem im Schnee liegen sah?«
    »Um mich herum schneit es nie«, antwortete die Frau, während sie sich immer noch die Stirn rieb. »Ich mag keinen Schnee. Im Schnee geschehen schlimme Dinge.«
    »Es geschehen überall schlimme Dinge.« Marla zog ihren Mantel aus und legte ihn sich über den Arm. Mein Gott, was für eine Hitze! Als wäre sie wieder in Indiana, mitten im feuchtheißen Sommer, der Jahreszeit, die ihre Mutter immer Dreimal-duschen-Wetter genannt hatte, weil man mindestens so oft an einem Tag duschen musste, um sich halbwegs sauber zu fühlen.
    »Sie sollten jetzt gehen, bevor ich wieder einen Albtraum habe«, sagte Genevieve. »Die Gefahr ist vorüber, bis
zum Einbruch der Nacht werden Sie überleben. Sie müssen überleben, um mir zu helfen, oder … ich bin mir nicht sicher … es ist alles so … unklar …« Sie schüttelte den Kopf. »Dieser wird besonders schlimm werden«, sagte sie schließlich in entschuldigendem Tonfall.
    Der Wind wurde stärker und blies heulend über den Platz; es wurde bitterkalt, Marla spürte die eisige Verdunstungskälte auf ihrer Haut. Sie versuchte, ihren Mantel wieder anzuziehen, aber der Wind riss ihn ihr aus den Händen und blies ihn flatternd in eine Baumkrone. Genevieve hielt schützend die Hände in die Luft, als versuche sie, sich gegen etwas oder jemanden zur zu Wehr setzen, aber der Wind blies ihr

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