Hexengift
der anderen Nicolette schüchtern zuwinkte. »Gib mir was zu essen.«
Nicolette warf ihm einen Cookie hin, den der Clown mit einer Hand aus der Luft fing, während er mit der anderen immer noch an seiner Nase herumfummelte. Sofort riss er mit den Zähnen die Plastikverpackung auf und verschlang den Cookie in zwei Bissen. Er lächelte, rülpste und setzte sich dann im Schneidersitz auf den Boden.
Er kicherte, ein gespenstisches Geräusch, das klang, als käme es vom Geist eines Schulmädchens.
»Was habt Ihr heute gesehen, oh Prophet?«, fragte Gregor förmlich.
Der Clown legte die Hände über die Augen auf seinem Unterhemd und streichelte sie - vielleicht auch seinen Bauch oder beides. Dann griff er nach einer Plastiktüte und schüttelte einen kleinen Haufen Kronkorken und Dosenverschlüsse
auf den Boden, in dem er herumzuwühlen begann. »Ein Mann in Schwarz«, sagte der Clown und starrte auf die kleinen, verbogenen Metallstückchen. »Er wird helfen, gegen Bezahlung.«
»Ihr meint Zealand?«, fragte Gregor stirnrunzelnd. Der Zeitattentäter war bei seinem Besuch vorhin ganz in Schwarz gekleidet gewesen.
»Nein, kein Attentäter. Dieser Mann ist niederträchtig. Er hat einen Pilzkopf. Weiß wie der Bauch einer Schlange, mit einer Kopfhaut wie etwas, das unter alten Baumstämmen wächst.«
»Und das sagst ausgerechnet du«, meinte Nicolette. Gregor funkelte sie wütend an, aber Nicolette zuckte nur mit den Achseln.
»Also nicht der Attentäter. Wer dann?«
»Der Feind Ihres Freundes ist Ihr Feind, nicht wahr?«, sagte der Prophet.
Gregor dachte nach. »Möglicherweise.«
»Dann haben Sie einen weiteren Feind, wenn Sie den Pilzmann in Schwarz zu Ihrem Freund machen. Seinen Feind.«
»Glaubst du, er drückt sich etwas klarer aus, wenn wir ihm in die Kniescheibe schießen?«, dachte Gregor laut nach.
»Schmerz klärt so manches«, antwortete Nicolette.
Der Clown kicherte nur. »Träumen Sie jemals, wenn Sie wach sind?«
»Ich träume schon kaum, wenn ich schlafe«, sagte Gregor. Eine ganze Zeit lang war das so gewesen, ja, aber in letzter Zeit entsprach das nicht mehr ganz der Wahrheit.
Der Clown nickte. »Die Frau, die mein Leben gerettet
hat, ist immer noch Ihr Untergang«, sprach er weiter. »Vieles hat sich verändert, aber das nicht.«
Der Clown meinte Marla. Sie hatte einmal sozusagen sein Leben in der Hand gehabt und sich entschlossen, ihn zu verschonen. Der Clown sprach stets in einem etwas ehrfürchtigen Tonfall von ihr, was Gregor ärgerte. Marla war die Karriereleiter auf eine weit höhere Sprosse hinaufgestolpert, als es durch ihre Fähigkeiten gerechtfertigt war. Sie war die geborene Vollstreckerin, vielleicht taugte sie sogar als Kriegsministerin, aber als Oberhaupt der Stadt? Das passte einfach nicht zu ihr. Gregor wollte den Job jedoch auch nicht. Er war undankbar, und die Vorteile, die er einbrachte, wogen die Nachteile bei weitem nicht auf. »Aber sie kann mir nur etwas anhaben, wenn ich nach draußen gehe«, gab Gregor als Stichwort vor. »Solange ich hier drinnen bleibe, in meinem Haus, bin ich doch vor ihr sicher, richtig?«
»Ich möchte ein kleines Hündchen«, sagte der Clown und lächelte ein grünlich braunes, moosiges Lächeln.
»Das hat sich doch nicht verändert, jetzt, im Licht dieser neuen Entwicklungen?«, hakte Gregor nach. »Ihr sagtet, wenn ich den Sturm umschiffe, ist alles in Ordnung, dann könnte sie mich nicht töten. Wenn ich mich den Elementen nicht aussetze, kann ich den Sturm überstehen.« Er ließ das Taschentuch vor seiner Nase fallen und machte einen Schritt auf den Clown zu.
»Manchmal schneit es in ihren Träumen«, sagte der Clown. »Oder der Wind weht, oder es regnet. Das sind die Schlimmsten, wenn ein Wetter heraufzieht.«
»Wer? Wenn wer träumt?«
»Der Feind des Freundes, den Sie nicht kennen. Der
Feind des Mannes in Schwarz«, sagte der Clown. »Die Frau, die träumt und die Welt um sich herum neu gestaltet. Die Frau in Gelb mit den violetten Augen. Sie .«
»Das ist neu«, sagte Nicolette. »Die letzten Male war es immer dasselbe, wenn man den Wahnsinn abzog. Aber das hier ist neu.«
»Bring mir einen kleinen Hund«, sagte der Clown. »Einen von der dämlichen, treuen Sorte.« Er grinste Nicolette an und ließ einen enormen Furz fahren. Nicolette wich einen Schritt zurück - wegen des Furzes oder wegen der Anspielung auf das, was sie selbst zuvor gesagt hatte. Gregor war sich nicht sicher.
»Eine letzte Frage, dann könnt Ihr alles
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