Hexengold
die Spannung zwischen ihnen angeschrien.
»Eric ist stark genug, um allein zurechtzukommen«, erklärte Magdalena nun mit fester Stimme. »Wundersalben und Allheilmittel wie den Theriak braucht er ganz gewiss nicht, da er die Reise unversehrt überstehen wird.«
»Dafür aber Passauer Zettel und Hedwigs Prophezeiungen, was?«, musste Adelaide das letzte Wort behalten.
Magdalena sparte sich eine Erwiderung. Sie nahm das Gefäß mit dem Theriak und räumte es zusammen mit Meister Johanns Wundersalbe zurück in die Kiste mit den Wundarztutensilien. Dreimal drehte sie den Schlüssel im Schloss. Das laute Knarren des Eisens wirkte wie eine zusätzliche Versicherung, dass die Tiegel dahinter gut verwahrt waren. Insbesondere für Adelaide waren sie damit unerreichbar. Carlotta wusste, dass das nicht der alleinige Grund für die Vorsichtsmaßnahme war. Das sichere Wegschließen von Vaters Medizin bedeutete weitaus mehr. Darüber aber wollte Magdalena wohl mit niemandem reden. Noch nicht, aber vielleicht später, hoffte Carlotta.
22
So plötzlich der Winter Ende März zurückgekehrt war, so selbstverständlich zog er Anfang April wieder ab. In tiefen Zügen sog Magdalena die milde Frühlingsluft ein. Endlich war die trübe Winterzeit vorbei. Zum ersten Mal seit Erics Abreise verspürte Magdalena den Wunsch, das Haus zu verlassen. Es würde sie auf andere Gedanken bringen, sich am Hafen um Geschäfte zu kümmern, die in nächster Zeit anstanden.
Trotz des neuerlichen Frosts in der vorangegangenen Woche hatte sich am Mainufer kein neues Eis gebildet. Die Lastkähne fuhren die täglichen Touren zum Rhein flussabwärts sowie aufwärts Richtung Würzburg pünktlich wie eh und je. Die Fischer an der Metzgerpforte beklagten allerdings den bislang dürftigen Fang, der die Körbe nur halb füllte. Mürrisch flickten sie an den Netzen. In Höhe der Heiliggeistpforte hatten gleich mehrere Schiffe festgemacht. Eifrig entluden die Ablader große Mengen Holz. Am Ufer stapelten sich die Balken bereits mannshoch. Der harzige Geruch verdrängte den penetranten Fischgestank, den Magdalena in der Nase hatte. Ärgerlich wehrte sie eine Möwe ab, die dicht an ihr vorbei Richtung Stadtmauer segelte.
Hinter dem Rententurm weitete sich der Hafen. Auf dem Weinmarkt herrschte reges Treiben. Ordentlich aufgereiht lagerten die Weinfässer, eifrig bewacht von den stolzen Händlern. Zielsicher steuerte Magdalena einen von ihnen an. Mit ihm schloss Eric seit Jahren seine Geschäfte ab. Interessiert betrachtete sie die Fässer und überschlug im Kopf, welche Mengen sich darin befanden und zu welchem Preis sich ein Abschluss lohnte.
»Bald kommt der erste Wein aus Franken, Verehrteste«, richtete der gedrungene Mann mit dem schäbigen Umhang und dem spitzen Hut das Wort an sie. »Die Lese letzten Herbst war gut. Wollt Ihr nicht einige Fuder nehmen? Euer Gatte hat stets den ersten Weißen nach dem Winter genommen. Jetzt kann ich Euch noch einen guten Preis anbieten. Morgen schon werden sich auch andere Kaufleute danach erkundigen. Dann werde ich höher gehen müssen.« Er lächelte breit, so dass die Lücken in seiner oberen Zahnreihe sichtbar wurden. Magdalena wusste, dass er in Wahrheit fürchtete, am nächsten Tag schon im Preis gedrückt zu werden. Das Warten würde sich auszahlen. Auch die anderen Händler waren interessiert, ihre Fässer loszuwerden. Sie erwiderte das Lächeln und versprach, sich das Angebot durch den Kopf gehen zu lassen. Gut gelaunt setzte sie ihren Weg fort. In der Tat entdeckte sie an den nächsten Ecken schon weitere Angebote ersten Frankenweins. Morgen würden es gewiss noch mehr sein, und die Preise würden fallen.
»Ihr habt das richtige Gespür bewiesen, verehrte Frau Grohnert. Morgen schon ist der Wein billiger.« Verblüfft drehte sie sich nach der dunklen Männerstimme um und sah sich einem Fremden gegenüber, der sogleich den federgeschmückten Hut vom Kopf nahm und sich mit einem tiefen Kratzfuß vor ihr verbeugte. »Euer Gemahl wird stolz auf Euch sein. Mein Kompliment, Verehrteste. In seiner Abwesenheit führt Ihr die Geschäfte mindestens ebenso klug wie er selbst.«
Ein Sonnenstrahl streifte das sorgfältig frisierte, hellbraune Haar des Unbekannten und brachte es zum Leuchten. Rechts und links von ihm neigten zwei weitere Herren das Haupt. Der eine gab den Blick auf dichtes, graues Haar frei, der andere hatte aschblondes Haar. Alle drei hielten ihre schwarzen, spitzen Hüte weiter in den gepflegten,
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