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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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den schweren Reiserock, um einem großen Stein auszuweichen. In wenigen Schritten hatte sie eine ebene Stelle erreicht. Die Zweige eines dürren Strauchs spendeten ein wenig Schatten. Dankbar, nach der turbulenten Fahrt festen Boden unter den Füßen zu spüren, sah sie sich um.
    Die Gegend wirkte weiter, als sie sich das durch den kleinen Ausschnitt in der Plane hatte vorstellen können. Bis zum Horizont erstreckten sich Wiesen und Felder, gelegentlich unterbrochen durch noch kahles Strauchwerk. Eine Reihe Birken deutete an, dass sich weiter westwärts ein Gewässer schlängelte. Im fernen Nordosten schälte sich die Silhouette einer Stadt heraus. Sie vermutete, dass es sich um Erfurt handelte, das Ziel ihrer Tagesetappe. Magdalena wandte den Kopf, wobei sie die Augen mit der flachen Hand an der Stirn gegen die Sonne abschirmte. Beim Anblick der Böschung, die die Ochsen hinuntergestürmt waren, wurde ihr im Nachhinein noch flau im Magen. Der Abhang war noch weitaus steiler, als sie vermutet hatte. Sie hatten großes Glück gehabt.
    »Wo steckt der Hund, der die Ochsen erschreckt hat?«, fragte sie die bewaffneten Männer, die ebenfalls abgesessen waren und sich mit ihren Pferden etwas abseits hielten. Ein vollbärtiger, vierschrötiger Mann wies lässig auf sein Gewehr, das er quer über den Schultern trug. Einen Schuss gehört zu haben, konnte sie sich nicht erinnern. Trotzdem ließ sie es dabei bewenden.
    »Ist es nicht herrlich hier?« Carlotta sprang herbei. »Schau, was ich gefunden habe.« Vergnügt lächelnd streckte sie ihr ein Bündel Wiesensalbei entgegen. Der betörende Geruch kitzelte Magdalena in die Nase. »Dort hinten wächst gewiss noch Ehrenpreis. Mal sehen, was ich finde. Ein kleiner Blumenstrauß wird Tante Adelaides Laune wohl bessern, was denkst du?« Das Mädchen lief in die angezeigte Richtung davon. Der trockene, kalkreiche Boden staubte unter ihren Schritten. Am Rocksaum zeichneten sich bereits die Spuren des kurzen Ausflugs ab. Obwohl der Winter erst wenige Wochen zurücklag, hatte die Sonne inzwischen fast alle Erinnerungen daran getilgt. Selbst der kleine Fluss führte nicht viel Wasser. Die vier Bewaffneten waren tief hinuntergestiegen, um die Pferde zu tränken und die Schläuche aufzufüllen. Die Erde war bereits rissig und hart vor Trockenheit.
    »Adelaide, komm her und schau, was Carlotta gefunden hat«, rief Magdalena. Aufmunternd schwenkte sie den kleinen Blumenstrauß. »Überall duftet es nach Frühling. Rechtzeitig zum morgigen Osterfest grünt und blüht es in jeder Ecke.«
    Sie hob den Blick und spähte in den wolkenlosen Himmel. In großer Höhe zogen die Schwalben ihre Kreise. Aus einem Waldstück im Westen klang zart das markante Rufen eines Kuckucks. »Hast du auch einen Geldbeutel mit Münzen, Adelaide?« Aufgeregt glitten Magdalenas Hände über die Hüften, bis sie fand, was sie suchte: den unter dem Rock verborgenen Beutel. Schon klimperte sie mit den Geldstücken. »Jetzt, wo ich sie beim ersten Rufen des Kuckucks geschüttelt habe, geht uns das Geld gewiss nicht so schnell aus.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr!« Endlich erreichte Adelaide sie und lächelte auf sie hinab. Sie hatte ihr offenes Haar wieder zu einem strengen Knoten gebunden und unter der schwarzen Witwenhaube verborgen. Tadellos, als befänden sie sich nicht bereits zweieinhalb Wochen auf Reisen, sondern hätten sämtliche Annehmlichkeiten eines Bürgerhauses zur Verfügung, präsentierte sie sich mitten auf den kargen Feldern. »Geld können wir in unserer Lage immer gut gebrauchen, meine Liebe. Hat Hedwig dir bei unserer Abreise den trefflichen Spruch mit dem Kuckuck auf den Weg gegeben?«
    Ehringer zeigte sich nicht zum ersten Mal beeindruckt von dem Auftritt der Base. Seine grauen Augen waren weit aufgerissen. Magdalena nahm das belustigt zur Kenntnis.
    »Das ist doch ein alter Brauch. Beim ersten Hören des Kuckucks rasselt man einfach mit Geldstücken. Hast du nie davon gehört?« Magdalena schmunzelte und strich den Stoff ihres schlichten, dunkelgrünen Kleides glatt.
    Adelaide zuckte mit den Schultern. »Mein Wissen über solche Dinge ist einfach viel zu bescheiden.«
    »Grämt Euch nicht, Verehrteste.« Unauffällig zupfte Ehringer seinen verblichenen Reiserock in Form. Die Ärmel waren eine Idee zu kurz, die Litze am Kragen verschlissen. Auch das kräftige Dunkelgrün, das man dem Tuch einst verpasst hatte, war nur mehr eine schwache Erinnerung. Am Ellbogen wurde der Stoff dünn. Die guten

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