Hexengold
schwarzem Kamelhaar über fein gewirkten, hellen Strümpfen und vornehmen Schnallenschuhen, deren Leder im flackernden Kerzenschein glänzte. Die silbern verzierten Schnallen blinkten ebenfalls bestens poliert. Üppig fiel ein blütenweißer Hemdkragen über ein Wams aus geschorenem Samt. Nicht minder weiße Volants, gefasst von zierlichen Spitzen, ragten aus den Jackenärmeln. Das betonte die schmalen, langen Hände. Wohl gepflegt und mit zarter, glatter Haut versehen, entlarvten sie ihn als einen, der sein Brot nicht durch hartes Zupacken verdienen musste. Adelaide schauderte wohlig, als sie sich vorstellte, wie sich die schlanken Fingerkuppen auf nackter Haut anfühlen mussten.
Sie senkte den Blick, um die Begierde, die in ihr aufflammte, zu kaschieren. Ihr Atem wurde schneller. Dicht vor ihr blieb der Mann stehen. Sie war fast so groß wie er. Sie meinte sterben zu müssen vor Anspannung, ihn derart nah vor sich zu wissen. Ihr Aufzug in dem unziemlichen, nassen Kleid ließ ihre Wangen vor Scham erröten. Im nächsten Moment schon flackerte brennendes Verlangen in ihr auf. Galant überging er die Verlegenheit, sah ihr geradewegs in die Augen. Sie erstarrte, als sie sein Gesicht genauer in Augenschein nehmen konnte.
Zunächst war es vor allem die lange, dünne Nase, die ihr förmlich entgegensprang. Sie erinnerte an Vinzents riesige Nase und teilte das Antlitz in zwei exakt gleich große Hälften. Auch der dünne, lange Bart auf den Oberlippen zog ihre Aufmerksamkeit an. Dann aber wurde sie gewahr, warum er diesen Hingucker trug: Eine Vielzahl widerwärtiger, kleiner Narben waren gleichmäßig über die Wangen rechts und links verteilt. Die weißlichen Wülste und Einkerbungen waren die verräterischen Reste einer schlimmen Blatternerkrankung. Ehe sie sich abzuwenden vermochte, zog sie das Funkeln seiner Augen erneut in Bann. Sie waren von dunklem Bernstein, eine äußerst seltene Farbe. Darüber vergaß sie die hässlichen Krater auf seinen Wangen alsbald. Winzige Falten sprangen um die Augenwinkel auf und unterstrichen das verführerische Lachen, dem man kaum entrinnen konnte. Hell blitzten die wohlgestalteten Zähne zwischen den feinen Lippen auf. Sie stellten einen ausgewogenen Kontrast zu der sonnengebräunten Haut dar, waren auffallend weiß und erwiesen sich als ungewöhnlich lang. Sein Atem roch gut, verriet die Frühlingsfrische, die seit Tagen draußen herrschte, gepaart mit dem herben Aroma von Tabak und Kaffee. Adelaide deutete das als besondere Vorliebe für Neues, Exotisches. Gewiss war er kein Mann, der einzig dem Althergebrachten frönte. Ihre Neugier war geweckt. Umrahmt wurde sein Gesicht von dichtem, braunem Haar, modisch auf Nackenlänge gekürzt.
»Ihr kommt gewiss, um uns eine gute Nachricht zu übermitteln.« Der Klang seiner Stimme schmeichelte ihren Sinnen nicht weniger als sein verführerisches Lächeln. Sie ließ die Arme sinken, drückte die Brüste nach vorn und setzte ihrerseits ein feines Schmunzeln auf. »Die beste, die Ihr Euch denken könnt.« Wie zufällig glitten ihre Finger am Rand ihres Mieders entlang, richteten den feuchten Stoff um ihren Ausschnitt, so gut es eben möglich war. Zufrieden bemerkte sie, dass die Augen ihres Gegenübers der Bewegung folgten, einen Atemzug länger als nötig auf dem Ansatz ihrer Brüste verweilten. Sie schob den Stoff noch ein wenig weiter auseinander, ließ die Hände in die Hüften gleiten, schob das Becken nach vorn und drehte sich halb seitlich, um ihre Figur im Kerzenlicht noch besser zur Geltung zu bringen. »Seid Ihr der glückliche Vater?« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Herzlichen Glückwunsch zur Geburt Eures Sohnes!«
»Nein, nein!« Entsetzt riss er die Augen auf, dann kehrte das Lächeln auf sein Gesicht zurück. »Ihr irrt, meine Liebe, aber das liegt wohl daran, dass Ihr fremd in der Stadt seid. Gestattet, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist Philipp Helmbrecht. Ich bin lediglich der Schwager der Hausfrau. Sie ist die Frau meines Bruders, der in Geschäften unterwegs ist. Ich vertrete ihn währenddessen.«
Galant verbeugte er sich vor ihr, nahm im Aufrichten ihre Hand und deutete einen Kuss darauf an. Der warme Hauch seines Atems kitzelte. Ihre Nackenhaare richteten sich auf. »Und wer seid Ihr, meine Teuerste?« Dank ihrer Größe konnten sie einander in die Augen sehen. »Verzeiht mir die Bemerkung, aber nach einer gewöhnlichen Hebamme seht Ihr nicht aus.«
»Da liegt Ihr richtig.« Sie entzog ihm die Hand und
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