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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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hinauszukommen. Im sanften Morgenwind blähten sich über den hoch beladenen Fuhrwerken bunte Planen. Ein Schalk hatte an seinem Wagen eine blau-weiß gestreifte Fahne mit einem abenteuerlichen Wappen befestigt. Ein Gaukler in grünem und rotem Kostüm und mit Narrenkappe auf dem Kopf stibitzte sie und schwang sich auf einen Mauervorsprung an der Straßenecke. Unter dem Jubel der Menge ließ er die Stange in kühnen Kreisen durch die Luft sausen. Die Leute klatschten Beifall, erfreut über die kurzweilige Darbietung. Einer reichte dem Jongleur gar einen Krug Bier, ein anderer grüßte ihn zum Abschied übertrieben untertänig mit seinem federgeschmückten Hut.
    Von neuem erfasste Magdalena Wehmut. Der Auszug der Kaufleute erinnerte an den Aufbruch des Heerestrosses. Unzählige Male war sie in ähnlicher Manier mit ihren Leuten aus den Lagern abgezogen. Verschämt wischte sie eine Träne aus dem Augenwinkel. Nicht minder farbenprächtig als die Spielleute und das Fußvolk zeigten sich zu ihrer Überraschung die Kaufleute. Das sonnige Wetter zauberte allen gute Laune ins Gesicht. Übermütig, weil gewiss auch die Geschäfte auf der zurückliegenden Messe gut gelaufen waren, reisten sie ab.
    Magdalena spürte Ehringers Atem dicht neben ihrem Gesicht. Auch er hatte den Trubel auf der Straße beobachtet. Endlich fasste er sich ein Herz und fuhr fort: »Wenn man das so sieht, glaubt man wirklich nicht, dass gerade erst Ostern hinter uns liegt. Noch vor vier Wochen sind wir wadentief mit unseren Stiefeln im Schnee versunken. Doch das ist es nicht, was ich vorhin meinte.«
    »So?«
    »In zwei Tagen ist Walpurgisnacht. Eine Frau wie Ihr weiß über die alten Bräuche natürlich Bescheid. Mehr als ein Mal habe ich Euch von volkstümlichen Weisheiten reden hören.«
    »Ja, und?« Auf einmal erinnerte Ehringer sie an Feuchtgruber, Erics Gefährten. Er redete ähnlich wirr und zusammenhanglos.
    Verlegen zwirbelte er sich den Bart. »Nun, Ihr erinnert Euch: Schon auf unserer Etappe von Gotha nach Erfurt haben wir darüber gesprochen. Heutzutage muss man aufpassen, was sich so manch einer an Beobachtungen zusammenreimt. Ihr seid eine kluge Frau, verfügt über hervorragende Kenntnisse im Bereich der Heilkunde und habt nicht zuletzt bei der schweren Geburt von Helmbrechts Schwägerin Eure vorzüglichen Fertigkeiten bewiesen. Das wird nicht bei all Euren Mitmenschen auf Wohlwollen stoßen. Zumal die Gegenden, durch die Ihr reist, in den letzten Jahren nicht unempfänglich waren für gewisse Auswüchse fanatischen Gebarens.« Bei den letzten Worten war seine Stimme sehr leise geworden. Ehrliche Besorgnis schien in seiner Miene auf.
    »Ihr wollt mich also warnen, man könnte mich als Hexe verleumden?«
    »Genau.«
    »Wer sollte das tun?« Magdalena fasste nach seiner Hand und drückte sie.
    »Nun, Verehrteste«, sagte er und zog die Augenbrauen hoch. »Ich kann Euch niemanden direkt nennen. Vergesst nicht, Ihr seid auf dem Weg, in Königsberg ein wichtiges Erbe anzutreten. Das ruft Neider auf den Plan. Ihr begebt Euch in Gefahr. Versprecht mir, Augen und Ohren offen zu halten. Helmbrecht wird sein Möglichstes tun, Euch zu beschützen. Trotzdem wird es nicht schaden, wenn Ihr selbst wachsam bleibt und Euch mit Eurem vielfältigen Wissen zurückhaltet.«
    »Wollen wir in unser aller Interesse hoffen, dass sich meine Base Eure Warnung zu Herzen nimmt.« Adelaide warf Ehringer einen eindringlichen Blick zu, bevor sie das Frühstück fortsetzte. Der Kaufmann betrachtete sie eine Weile, kehrte sich dann zu Magdalena um und flüsterte ihr direkt ins Ohr: »Eure Base ist eine seltsame Frau. So recht werde ich nicht aus ihr schlau.«
    »Das müsst Ihr auch nicht mehr.« Magdalena lächelte, dabei war ihr nicht mehr zum Lachen zumute.
    »Ich wünsche Euch von Herzen, dass Ihr wohlbehalten an Eurem Ziel ankommt, Verehrteste.« Ehringer fasste nach ihrer Hand. »Möge sich dort oben in Königsberg alles zu Eurem Besten entwickeln. In Gedanken werde ich stets bei Euch sein.«
    Tief verbeugte er sich und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken. Magdalena spürte einen eisigen Schauer im Nacken. Erschrocken zuckte sie zusammen. Aus den Augenwinkeln erhaschte sie einen Blick auf Adelaide. Schmunzelnd hatte die Ehringers Worte mit angehört. Die schwarzen Augen funkelten.

10
    Das Gasthaus machte keinen einladenden Eindruck, lag aber verkehrsgünstig auf einer kleinen Lichtung an der Weggabelung der Straße nach Frankfurt an der Oder im Nordosten

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