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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Klinke von außen heruntergedrückt werden konnte. Ein greller Blitz zuckte über den schwarzgrauen Regenhimmel, tauchte Kammer und Flur in gleißendes Licht. Kaum zwei Atemzüge später zerriss ein markerschütternder Donner die Stille. Dicke Regentropfen peitschten durch die winzige Dachluke herein, kräftige Windböen pfiffen durchs Haus. Entsetzt schauten Pohlmann und seine Mutter Adelaide an.
    »Gut, dass Ihr kommt!« Adelaide wischte sich über die Stirn. »Denkt nur, was geschehen ist. Kaum wage ich es, das Unfassbare auszusprechen. Oh Gott, mein armer Vetter! Welche Vorwürfe wird er mir machen, weil ich nicht ausreichend auf seine Gemahlin geachtet habe. Wie aber sollte ich ahnen, was sie im Schilde führt? Verehrter Pohlmann, helft mir! Ihr allein könnt sagen, was zu tun ist.«
    Aufseufzend warf sie sich der alten Pohlmännin in die Arme. Die runzelte die Stirn und sah hilfesuchend zu ihrem Sohn. Der nickte. Ihr blieb keine Wahl, als die Arme um Adelaide zu legen und die weinende Frau tröstend zu umschlingen.
    »Teuerste, wovon sprecht Ihr?«, war alles, was der dunkelblonde Pohlmann herausbrachte. Dann sah er zu Helmbrecht. Magdalena folgte seinem Blick. Der Kranke saß inzwischen zwar wieder aufrecht im Bett, doch sein Aussehen sprach Bände. Das Bettzeug um ihn herum war zerwühlt. Das dunkle Haar stand zerzaust vom Kopf ab, der Hemdkragen war halboffen und so weit verrutscht, dass das dunkle Brusthaar zu erkennen war. Noch immer schien er außerstande, sich zu äußern. Die dunklen Bernsteinaugen strahlten nicht mehr, sondern schienen sein schlechtes Gewissen widerzuspiegeln. Pohlmanns Blick wanderte weiter. Neben dem Bett lagen die Scherben des zerbrochenen Bechers. Das verschüttete Wasser zeichnete eine dunkle Pfütze auf die hellen Dielenbretter. Aus der Suppenschale dampfte es schwach. Unberührt stand der Imbiss aus Brot und Käse daneben.
    »Das ist … Das heißt …« Mehr als ein empörtes Stammeln brachte Pohlmann angesichts der offenkundigen Geschehnisse nicht heraus. Hilfesuchend wandte er sich an seine Mutter. Die hielt Adelaide noch immer in den Armen. Der Rücken der schwarz gekleideten Frau bebte.
    »Es ist doch klar, was das heißt, mein Sohn.« Wütend blickte die alte Pohlmännin zu Magdalena. Die brauchte nicht erst an sich herunterzusehen, um zu ahnen, welchen Eindruck ihr Aufzug hervorrief. Die schlaflos am Bett des Kranken verbrachte Nacht hatte ebenso deutliche Spuren hinterlassen wie das Gerangel mit Adelaide. Niemand würde ihr glauben, was sich in Wahrheit in der Kammer zugetragen hatte. Noch dazu, wo sie selbst das Erglühen ihrer Wangen spürte. Sie fasste an den Bernstein. Er fühlte sich kalt und kraftlos an. Erschöpft senkte sie den Blick und ging hinaus.

16
    Mit jedem Tag wurde die Reise beschwerlicher. Selbst Magdalena setzte das Sitzen auf der harten Bank im Wagenkasten heftig zu. Die Knochen schmerzten, die Glieder wurden steif. Doch nicht nur deswegen nutzte sie jede Möglichkeit, ein Stück neben dem Fuhrwagen zu Fuß zu gehen. Seit den Vorfällen im Spreewald vor gut zwei Wochen ertrug sie die Nähe ihrer Base kaum. Adelaides verleumderisches Gebaren hatte das zarte Band, das sie in Frankfurt zwischen sich zu knüpfen begonnen hatten, mit einem Ratsch zerrissen.
    Carlotta begleitete sie meist auf den Fußmärschen, unabhängig davon, wie lang sie die Zeit außerhalb des Wagens ausdehnte. Das Mädchen störte sich jedoch weniger an Adelaides Gegenwart. Auch an die Unbequemlichkeiten der Kutsche hatte sie sich gewöhnt. Dafür bemerkte Magdalena ab und an die ängstlichen Blicke ihrer Tochter zu Mathias und den Fuhrleuten. Trotz der Sorge, die ihr das bereitete, beschloss sie, vorerst nicht in sie zu dringen. Der Moment würde kommen, in dem sie sich ihr anvertraute. Bis dahin musste sie sich in Geduld üben, wollte sie überhaupt je erfahren, was hinter alldem steckte.
    Die Mittagshitze war überstanden. Seit etwa einer Stunde schlenderten Mutter und Tochter schweigend zwischen dem ersten und dem zweiten Wagen der kleinen Kolonne. Der vollständig genesene Helmbrecht führte den Trupp auf seinem prächtigen Schimmel an. Gelegentlich preschte er im Galopp voraus und erkundete den Weg bis zur nächsten Kreuzung. Meist kam er im gemächlichen Schritt zurück und legte dieselbe Strecke ein zweites Mal dicht vor ihnen zurück. Der direkten Begegnung mit Magdalena wich er aus, auch mit Adelaide sprach er zu deren Verdruss kaum mehr als das Nötigste. All

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