Hexengold
nennen. Wartet lieber bis morgen und sprecht dann an der Börse vor, vielleicht trefft Ihr sie dort direkt. Es erregt nur unnötiges Aufsehen, wenn Ihr in der ganzen Stadt herumfragt.«
Jäh drehte er sich ab und marschierte mit weit ausholenden Schritten die Straßen hinunter zum Grünen Tor. Magdalena atmete auf, sobald er sich einige Schritte entfernt hatte. Dann winkte sie Carlotta heran, legte ihr den Arm um die Schultern und sagte: »Mir scheint, dieser Ratsherr Gerke ist nicht eben erpicht darauf, dass wir Diehl, Imhof und Feuchtgruber rasch finden. Seit ihm klar ist, dass ich ausgerechnet
den
Grohnert geheiratet habe, ist seine Freude, endlich einen Erben für das Singeknecht’sche Vermögen zu haben, sichtlich getrübt. Also müssen wir vor ihm herausfinden, wo sich unsere drei Frankfurter Freunde aufhalten. Mir scheint, jenseits der Börse wäre der Hafen der rechte Ort, um gestandene Kaufleute wie sie aufzuspüren.«
7
Carlotta sah der Mutter an, wie ihr die Gedanken durch den Kopf wirbelten, wagte aber nicht, sie darauf anzusprechen. Schweigend gingen sie nebeneinander zur Krämerbrücke. Um sich abzulenken, nahm Carlotta zum ersten Mal die Atmosphäre auf den Straßen in sich auf. Insgeheim gab sie ihrer Mutter recht: Der Trubel hatte viel mit dem in Frankfurt gemein. Je mehr Ähnlichkeiten sie entdeckte, desto heimischer fühlte sie sich in der Stadt am Pregel. Das Befremden, das sie gestern noch empfunden hatte, schmolz dahin. In Königsberg wie in Frankfurt streiften allerorten Händler mit Huckelkiezen auf dem Rücken sowie Bauersfrauen mit Körben voll Kräutern, Gemüse und Obst durch die Straßen. An jeder Ecke hockten Bettler, immer wieder aufgescheucht und verjagt von den patrouillierenden Bütteln.
Großes Staunen überkam Carlotta, als sie die Krämerbrücke erreichten, die ihrem Namen alle Ehre machte: Dicht an dicht reihten sich darauf die Verkaufsbuden aneinander. In der Mitte befand sich ein schmaler Durchlass, der geöffnet werden konnte, um Schiffe mit hohen Masten passieren zu lassen. Gerade schob sich eine dickbauchige Kogge mitten durch die Brücke. Aus dem Krähennest winkte vorwitzig die Hand eines Matrosen. Carlotta bewunderte auch die übrigen Schiffe und Boote, die auf dem Neuen Pregel kreuzten. Das geschäftige Treiben auf dem Fluss mit den vielen großen Schiffen bot ein anderes Bild, als sie es vom Main gewohnt war. Es fehlten die einfachen Kähne und kleinen Nachen.
»Ist es nicht eine Unverschämtheit?«, riss ihre Mutter sie aus ihren Beobachtungen. »Wie kann Gerke es wagen, die Ehrenhaftigkeit deines Vaters in Zweifel zu ziehen.« Ärgerlich blieb Magdalena so abrupt stehen, dass ein Mann im Gelehrtentalar in sie hineinlief. Entrüstet wehrte sie ihn mit dem Ellbogen ab. Er öffnete den Mund, stammelte und ruderte aufgeregt mit den Armen, brachte allerdings kein verständliches Wort heraus. »Was seid Ihr für ein Rüpel!«, ereiferte sich statt seiner Magdalena. »Es gehört sich nicht, in so dichtem Abstand einer fremden Dame zu folgen.« Der Mann schüttelte verblüfft den Kopf, starrte sie noch einen Moment benommen an und schob sich dann durch das Gewühl ans jenseitige Ufer.
»Ich denke nicht, dass er ernsthaft an Vaters Ehre zweifelt«, antwortete Carlotta schließlich. »Er hat lediglich darauf hingewiesen, dass sich in den letzten Wochen kein Kaufmann namens Grohnert an der Börse gemeldet hat. Willst du lieber selbst zum Grünen Tor und Erkundigungen über Vater einholen, statt am Hafen nach Imhof, Feuchtgruber und Diehl zu suchen?« Erwartungsvoll sah sie ihre Mutter an und hoffte auf eine rasche Entscheidung, in welche Richtung sie sich wenden sollten. Das Gedränge in der prallen Sonne auf der Brücke wurde unerträglich. Dringend sehnte sie sich nach Schatten oder zumindest einem Platz, auf dem eine frische Brise für etwas Abkühlung sorgte.
»Nein, nein, heute können wir dort nicht mehr hin. Martenn Gerke wird seine Zunftgenossen schon auf den neusten Stand gebracht haben, so dass uns niemand noch aufrichtig Rede und Antwort stehen wird. Die Grohnerts sind ein rotes Tuch für die Königsberger Kaufleute. Sie werden ähnlich entsetzt wie Gerke auf die Nachricht meiner Heirat mit einem Grohnert reagieren und alles daransetzen, mir mein Erbe vorzuenthalten. Unter allen Umständen werden sie verhindern wollen, dass ein Grohnert an meiner Seite an das Singeknecht’sche Vermögen gelangt. Wahrscheinlich haben sie Onkel Paul auf dem Sterbebett einen
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