Hexengold
Ofen knisterte das Feuerholz.
Eng ineinander verschlungen lagen sie nach der Vereinigung nebeneinander auf dem Boden des Kontors. Draußen in der Diele verebbten die Geräusche. Unter der Türritze zog Suppengeruch herein. Die Hausbewohner sammelten sich zum Mittagessen. Weder Eric noch Magdalena verspürten Lust, in die Gesellschaft der anderen zurückzukehren.
»Der Brief!« Jäh setzte sie sich auf. »Ich muss mich beeilen, sonst erwische ich die Mittagspost nicht.«
»Du hast jetzt länger als vier Jahre nichts von deinem Vetter gehört. Da spielt es keine Rolle, wenn er den Brief erst einige Tage später bekommt.« Eric legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie wieder zu sich. Sie wollte protestieren, doch er war schneller und verschloss ihr den Mund mit einem lang anhaltenden Kuss. Abermals ließ sie sich verführen. So lange hatte sie sich nach dieser Nähe gesehnt. Sämtliche Briefe und Pläne konnten noch warten. Binnen kürzester Zeit brachte er ihren Körper zum Schwingen. Stürmisch und zärtlich zugleich tat er alles, um sie davon zu überzeugen, dass er nichts anderes als die Befriedigung ihrer gemeinsamen Lust im Sinn hatte.
Später in der Dämmerung spielte er versonnen mit dem Bernstein, den sie wie stets an einer Lederschnur um den Hals trug. Prüfend hielt er ihn gegen das schräg einfallende Licht und kniff ein Auge zusammen, um das Insekt darin besser betrachten zu können. »Kaum vorstellbar, dass er fast dein ganzes Leben lang schon über dich wacht.«
»Deshalb hast du ihn mir damals doch geschenkt.« Sie stützte sich auf den angewinkelten Ellbogen. Eric ließ den Stein nicht los und wandte sich ihr zu. Das Tiefgründige seiner blauen Augen faszinierte sie wie eh und je. Nackt mit ihm auf dem Mantel liegend, das Knacken des Feuerholzes im Ofen, draußen vor der Tür die Geräusche der geschäftigen Mitmenschen, fühlte sie sich zurückversetzt in jenen Sommer vor vierzehn Jahren, als ihre leidenschaftliche Liebe begann. »Weißt du noch, damals in Freiburg, unser Heuboden?« Auf einmal erschien es ihr unnatürlich, ihm keine Strohhalme aus den Haaren zu zupfen. Dafür kratzte der rauhe Wollstoff ihres Mantels ähnlich unangenehm wie die Pferdedecke, auf der sie seinerzeit gelegen hatten.
»Wie könnte ich das je vergessen?« Er lächelte. »Unzählige Nächte haben wir dort miteinander verbracht. Ich glaube, es war die beste Zeit, die wir je hatten.« Sein Blick schweifte in weite Fernen.
»Damals war es schon dreizehn Jahre her, dass du mir den Bernstein geschenkt hast – nachdem du mich aus dem brennenden Magdeburg gerettet hattest. Und dann hatten wir uns so lange aus den Augen verloren. Wie glücklich war ich, als ich dich in Freiburg unter den Zimmerleuten am anderen Ende des Trosses wiedergefunden habe.«
»Dein Vater hat nicht gewollt, dass wir uns wiedersehen.« Um Erics Mund zeichnete sich ein bitterer Zug ab, seine Stimme klang gedrückt.
»Dafür hatte er seine Gründe«, stellte sie fest und staunte selbst über die Entschiedenheit, mit der sie das sagte. »Kurz bevor er starb, hat er mich noch einmal vor dir gewarnt.«
»Das hast du mir nie gesagt.« Er ließ den Bernstein los. Sofort glitt er wieder auf ihre nackte Brust. »Bereust du, nicht auf ihn gehört zu haben?«
Noch ehe sie ihn vom Gegenteil überzeugen konnte, setzte er sich auf und begann sich anzuziehen. Jäh überfiel sie die Angst, ihn ähnlich wie im November durch eine einzige, unbedarfte Bemerkung verärgert zu haben.
»Hätte ich das tun sollen?«, fragte sie. Hastig umarmte sie ihn von hinten, drückte den nackten, warmen Leib gegen seinen Rumpf. Ihre Finger tasteten über den Verband, den er weiterhin um die Brust trug, und fuhr die verdeckte Linie der Narbe nach. Zärtlich strich sie darüber und stoppte plötzlich, als sie sein Zusammenzucken spürte. »Hast du noch Schmerzen?« Im gleichen Moment fühlte sie Feuchtigkeit an den Fingerkuppen. Besorgt sah sie auf den Verband. Blut zeichnete sich nicht darauf ab, allerdings war das Leinen eindeutig feucht. »Nässt die Wunde?«
»Gelegentlich.«
»Ich sehe sie mir besser noch einmal an.« Schon wollte sie ihn zu sich drehen und den Verband abnehmen, er aber wehrte sie ab. »So schlimm ist es nicht.« Um sie zu beruhigen, schlang er die Arme um sie und drückte sie an sich. Bevor sie sich abermals darauf einlassen konnte, ließ er sie jedoch schon wieder los und zog das Hemd an.
»Ach, Eric!« Seufzend sah sie ihm zu, wie er die Knöpfe
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