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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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zittrigen Fingern nahm Magdalena den Brief, mit dem Adelaide durch die Luft wedelte, erbrach ihn allerdings nicht sofort. Enttäuscht sah Adelaide ihr nach, wie sie ins Kontor eilte.
    Zitternd schloss Magdalena die Tür. Es hatte sie Kraft gekostet, Adelaide nicht gleich auf die ungeheuerlichen Vorgänge bei Petersen anzusprechen. Sie musste sich erst ein wenig beruhigen.
    Wohltuende Stille lag über dem großen Raum. So trostlos Magdalena sonst die leeren Pulte der Schreiber empfand, so froh war sie nun um das Alleinsein. Vorsichtig legte sie den Brief auf Erics Pult. Die Schrift war gleichmäßig, nicht wie die ihres Vetters, des Fassbindermeisters aus Köln, den sie einmal hatte heiraten sollen. Das konnte nur bedeuten, dass er inzwischen verstorben war. Sie zögerte, den Umschlag zu öffnen. So lange wartete sie schon darauf. Gleichzeitig wusste sie, dass mit diesem Brief viele Möglichkeiten, die jetzt noch offen im Raum standen, ein für alle Mal beendet sein konnten.
    Ihre Hand griff nach dem kleinen Messer, das Eric als Brieföffner diente. Sie nahm den Brief wieder auf. Er brachte einiges an Gewicht auf. Es schienen mehrere Blätter darin zu stecken. Wieder betrachtete sie das Kuvert von allen Seiten. Gerade wollte sie die Messerspitze auf der Längsseite ansetzen, da schreckten sie laute Geräusche von der Straße auf. Jemand öffnete das Eingangstor. Der Lärm verlagerte sich in die Diele. Unter den aufgeregten Männerstimmen war Erics deutlich herauszuhören. Feste Schritte tönten über den Boden. Magdalena gelang es gerade noch, den Brief in einer Schublade im großen Schrank zu verstauen, bevor ihr Mann eintrat. Mit leuchtenden Augen nahm er den Hut vom Kopf. »Am nächsten Montag geht es los!«, rief er und strahlte wie ein übermütiges Kind.
    »In vier Tagen schon? Du hast es offensichtlich sehr eilig, von mir fortzukommen.«
    Der Blick, den er ihr daraufhin zuwarf, ließ ihr das Herz in der Brust gefrieren.

18
    An diesem Morgen tat sich die Dämmerung schwer, das Dunkel der Nacht zu vertreiben. Magdalena spähte durch ein Loch zwischen den Eisblumen auf der Fensterscheibe in das dichte Schneegestöber hinaus. Als sie drei Reiter um die Ecke zur Fahrgasse einbiegen sah, eilte sie quer durch das Kontor und postierte sich mit dem Rücken zur Tür. Keinen Moment zu früh. Kaum streckte sie die Arme aus, um den Durchgang zu versperren, pochte es laut gegen das Eingangstor. Eric sah vom Stehpult auf und verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. »Was tust du da, Liebste?«
    »Du kannst jetzt nicht fort«, erklärte sie knapp.
    »Warum?« Langsam trat Eric auf sie zu. In seinen tiefgründigen blauen Augen blitzte es. Es fiel ihr schwer, seinem Charme zu widerstehen und nicht einfach Halt suchend in seine Arme zu fallen. Von der Diele drang abermals energisches Klopfen an ihr Ohr. Das gemahnte sie, standhaft zu bleiben. »Es geht nicht«, sagte sie.
    Draußen schwoll die Unruhe an. Brummend schlurfte Kutscher Hermann zum Tor und öffnete. Sogleich dröhnten dunkle Männerstimmen in der Diele. Hermann bat die Neuankömmlinge zum Aufwärmen in die Wohnstube ins Obergeschoss. »Ist Grohnert etwa noch nicht fertig?«, empörte sich ein tiefer Bass. »Sag ihm, er soll sich sputen«, befahl ein zweiter. »Bei Öffnung der Tore wollen wir aus der Stadt!« Hermann beschwichtigte die beiden und versprach, seinen Herrn sofort über ihr Eintreffen zu benachrichtigen. Schwere Stiefelschritte entfernten sich auf der Steintreppe nach oben. Gleichzeitig näherte sich Hermann dem Kontor.
    »Wir haben schon gehört«, rief Magdalena durch die geschlossene Tür nach draußen. »Mein Gemahl braucht noch etwas. Gib den Herren Bescheid. Sie sollen sich noch etwas gedulden.«
    »Wie Ihr meint«, grummelte der Kutscher dicht vor der schweren Tür und wandte sich sogleich wieder ab, wie das leiser werdende Schlurfen seiner Holzpantinen auf dem Steinboden verriet.
    Schon hob Eric die Arme, um Magdalena beiseitezuschieben, aber auf halbem Weg hielt er inne. Sein Blick wanderte zwischen seiner zierlichen Gemahlin und der Tür hin und her. »Du hörst doch«, bemühte er sich um einen gefassten Ton, »die Herrschaften warten nicht gern. Ich will nicht, dass sie sich schon vor unserem Aufbruch über mich ärgern.«
    »Ich lasse dich nicht fort.« Ungerührt blickte Magdalena ihn aus ihren smaragdgrünen Augen an. Das Zucken um seine Mundwinkel hatte alles Spöttische verloren. Die beiden senkrechten Linien oberhalb der

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