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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wird es dann erst in den Bergen sein? Die Alpenpässe werdet ihr wohl kaum überqueren können. Ganz abgesehen davon, dass euch Hermann mit dem Wagen in dem Schneetreiben nur schwer folgen kann. Spätestens auf der anderen Mainseite, hinter Sachsenhausen, werden die Räder im Matsch stecken bleiben, weil die Straßen nicht mehr gepflastert sind. Oder willst du deinen treuen Kutscher gleich zu Beginn der Reise im Stich lassen? Ganz zu schweigen von deinen Begleitern. Die drei tun sich schon unter normalen Bedingungen schwer, ein zügiges Reittempo durchzuhalten. Sie sind einfach zu alt und unerfahren für deine Abenteuer. Sie sind eben nicht Vincent.«
    Sie senkte die Stimme. Als sie den Vetter erwähnte, fuhr sich Eric mit der Hand über den Leib, auf der Höhe, auf der die gewaltige Narbe über seine Brust verlief. Magdalena zog die Augenbraue hoch. »Es war nicht gut, dass du ein weiteres Mal an derselben Stelle verwundet wurdest. Eine solche Naht mehrmals zu erneuern ist ein großes Risiko. Die Verletzung heilt immer schlechter, das zeigen deine Beschwerden nur allzu deutlich.«
    Sie dachte daran, wie oft die Narbe nässte. Zwar versuchte er, es zu verbergen, doch ihr waren die verschmutzten Hemden nicht entgangen. »Sei vernünftig und warte bis nächste Woche.« Abermals strich sie ihm über den Arm. »Alles, was du jetzt mit Gewalt angehst, wirft dich nur zurück. Wie willst du die vielen Wochen im Sattel überstehen, wenn du dir gleich zu Beginn schon Unmögliches zumutest?«
    »Lass das meine Sorge sein. Es ist einfach zu spät, die Abreise noch einmal aufzuschieben.« Er wies mit dem Kopf Richtung Decke. Das Knarren der Holzdielen war nicht zu überhören. Ungeduldig liefen die Gefährten dort oben umher. Mit zwei großen Schritten war Eric am Pult. Hastig raffte er die Papiere zusammen und bückte sich, um sie in der rindsledernen Reisetasche zu verstauen. Als er sich ein wenig zu schwungvoll aufrichtete, stieß er gegen die spitze Ecke des Pults und schrie auf. Sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzerfüllten Grimasse. Sein Rumpf klappte zusammen, und er presste die Hand auf das feine Leinenhemd. Binnen kürzester Zeit färbte es sich blutrot.
    »Die Narbe!« Entsetzt stürzte Magdalena zu ihm.
    Sobald sie sich vom ersten Schrecken erholt hatte, zog sie ihn zu einem der Armlehnstühle vor den Fenstern. »Setz dich und lass mich nachsehen«, wies sie ihn an. »Wahrscheinlich muss ich dir die Naht ein weiteres Mal verschließen.«
    Er zitterte am ganzen Leib und wagte nicht, die Hand von der Brust zu nehmen. Selbst im blakenden Schein der Talglichter war sein Gesicht aschfahl, in seinen Augen spiegelte sich blankes Entsetzen. Magdalena nahm die Kiste mit ihren Wundarztutensilien aus dem Schrank. Eric hob nicht einmal den Kopf, als sie sie vor ihn auf den Tisch stellte. Schweigend schob sie die Landkarten beiseite und breitete das von Meister Johann geerbte Lederetui mit dem Chirurgenbesteck aus. Vorsichtig entnahm sie der Holzkiste einige Tontiegel sowie eine Phiole mit Oleum rosatum. Einige Tropfen davon strich sie Eric auf die Schläfen. Der angenehme Duft wirkte beruhigend. Schon wurde sein Atem gleichmäßig. Sie half ihm aus Rock und Wams und streifte ihm das blutdurchtränkte Hemd ab, bis er mit nacktem Oberkörper vor ihr saß. Der Luftzug, der durch die verzogenen Fensterrahmen drang, machte ihn frösteln. Die feinen, blonden Haare auf seinen Armen stellten sich auf, kleine Pusteln bildeten sich auf der Haut.
    »Wo bleibst du denn?« Die Dielentür flog auf. Wie ein Wirbelwind preschte Carlotta ins Kontor. Als sie den Vater sah, entfuhr ihr ein spitzer Schrei. »Oh Gott, was ist passiert?«
    »Kein Grund zur Aufregung«, antwortete Magdalena statt seiner. Die Blässe auf Erics Gesicht und das viele Blut auf der Brust ließen alles schlimmer aussehen, als es war. »Hol mir Leinen zum Verbinden und ein frisches Hemd für den Vater. Dann geh nach oben zu den Herren und richte ihnen aus, dass es noch eine Weile dauert, bis Eric so weit ist. Vielleicht kann Hedwig in der Zwischenzeit einen Kaffee für sie kochen.«
    »Mir auch«, sagte Eric und fügte hinzu, sobald er Magdalenas missbilligendes Augenbrauenrunzeln bemerkte: »Der wird mir guttun. Letztens erst hat Diehl erzählt, Kaffee stärkt die Nerven. Genau das habe ich jetzt nötig.«
    »Man muss nicht jede Mode mitmachen.«
    »Ich kümmere mich um alles«, versprach Carlotta. »Warte mit dem Nähen auf mich. Ich bin gleich wieder da und helfe

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