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Hexenheide

Hexenheide

Titel: Hexenheide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: aerts
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Blume stehen bleibt. Karim verzieht ärgerlich den Mund. Verdammt, nun war die ganze Mühe umsonst.
    Schon verrückt, so eine blassgelbe Blume im Oktober. Selbst im Sommer hat er diese Sorte nie auf der Heide gesehen, doch zu dieser Jahreszeit ist das schon sehr seltsam. Er kniet sich neben die Blume, um sie besser betrachten zu können. Ob er sie abpflücken soll?
    Während er die Hand nach dem Stängel ausstreckt, spürt er, dass er beobachtet wird. Seine Hand bleibt in der Luft schweben, als er ruckartig den Kopf hebt. Ängstlich blickt er in den Birkenwald, und seine Nackenhaare sträuben sich, doch es ist nichts zu sehen.
    Langsam steht er auf. Da ist jemand, irgendwo zwischen den Bäumen, irgendwo in diesem weißen Nebel, da ist er sich ganz sicher.
    Die Augen ununterbrochen auf den Birkenwald gerichtet, geht er langsam ein paar Schritte zurück. Er wird gemustert, und der Blick von dem, der ihn ansieht, ist nicht freundlich. Er würde es später nicht begründen können, warum er das so genau weiß, aber er spürt, dass er besser zusieht, dass er hier wegkommt. Er traut sich nicht, dem – was es auch sein mag – den Rücken zuzukehren. Am liebsten hätte er sich umgedreht und wäre schnell davongerannt, doch statt wegzulaufen, bleibt er instinktiv dem Wald zugewandt, ohne zu zwinkern, ohne ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
    Er kann nicht erkennen, wo er die Füße aufsetzt.
    Wenn ich jetzt wieder stolpere, bin ich der Dumme, denkt er. Ich darf nicht hinfallen. Tastend bewegt er abwechselnd den linken, dann den rechten, dann wieder den linken Fuß, immer weiter zurück.
    Sobald er den Wald hinter sich hat und der Abstand zwischen ihm und den letzten Bäumen so groß ist, dass die gelbe Blume nur noch wie ein Punkt wirkt, wagt er es, sich umzudrehen und wie der Blitz hinter Lenne herzurasen, die inzwischen längst am Zaun auf der anderen Seite der Heide ist.
    Außer Atem kommt Karim am Holzzaun an. Lenne ist gerade drübergeklettert. Keuchend wirft er sich über die splittrigen Latten und wäre auf der anderen Seite beinahe schwer auf die Straße gestürzt.
    »Was machst du denn da?«, fragt Lenne verwundert.
    »Die Blume«, keucht Karim. »Hast du die Blume nicht gesehen?«
    »Welche Blume?«, fragt Lenne und schlägt die Kapuze zurück, die sie sich über den Kopf gezogen hatte.
    Karim rappelt sich auf. Mit zusammengekniffenen Augen guckt er Lenne an, starrt auf die Kapuze. Nein, mit diesem schwarzen Ding, das sie über dem Kopf hatte, hat Lenne natürlich nichts gesehen. Auch wenn sie vielleicht zur Seite geblickt hätte, hätte sie nichts anderes gesehen als den Rand ihrer Kapuze.
    Da kommt ihm ein eigenartiger Gedanke: Sollte die Blume für Lenne bestimmt gewesen sein? Sie hätte hinschauen müssen, sie hätte die Blume sehen müssen, er hätte sie darauf aufmerksam machen müssen, und dann …
    Karim kratzt sich nachdenklich an der Nase. Und dann … was?
    »Du guckst so komisch«, sagt Lenne.
    Eine Blume als Lockmittel? Karim schüttelt den Kopf. Das ist wirklich zu idiotisch, um noch länger darüber nachzudenken, wie kommt er bloß auf solche lächerlichen Ideen!
    »Oh, hm … ja …«, murmelt er, »ich … ich bin ein bisschen blöd gefallen.«
    »T rottel«, sagt Lenne. Aber wenigstens lacht sie wieder über ihn.
    Karim lacht zurück. »Machen wir die Hausaufgaben zusammen?«

7
     
     

     
     
     
     
     
    Herr Paul ist noch immer nicht auf die Geschichte von der Hexenheide zurückgekommen, obwohl er das doch versprochen hatte. Am Ende der Woche kann es Karim nicht länger aushalten. Am Freitagnachmittag um Viertel vor drei meldet er sich und fragt nach, denn gleich beginnt das Wochenende, und er ist immer noch nicht schlauer.
    »Oh, ja.« Der Lehrer nickt. »Das hab ich schon wieder vergessen. Ja, ich war in der Bücherei, und Frau Hendriks hat mit versprochen, das eine oder andere rauszusuchen. Ich habe ihr gesagt, dass es für Geschichte wäre, und da wird sie sich Mühe geben.«
    »Also wissen Sie immer noch nichts?«, fragt Karim enttäuscht.
    »Geduld, mein Junge, Geduld. Das kommt noch. Warum bist du eigentlich so interessiert daran? Findest du das mit den Hexen so spannend? Erwarte nicht zu viel davon, die Geschichte unterscheidet sich wahrscheinlich in nichts von allen anderen schönen Märchen, die es über Hexen gibt.« Herr Paul verzieht fröhlich das Gesicht.
    Karims Gesicht hingegen verfinstert sich. »Das weiß ich auch!«, antwortet er ein bisschen beleidigt.
    Der

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