Hexenheide
Fest getragen hatte. Es ist schwarz und lang. »Hm, das kann man doch wohl als Hexenkleid durchgehen lassen, oder?« Sie hält es vor sich und schaut in den Spiegel.
»Stolperst du nicht darüber?«, fragt Karim. »Es ist viel zu lang für dich.«
»Dann bind ich einfach hier was drum.« Lenne zeigt auf ihre Hüfte. »Eine Schnur oder so was.«
»Haben echte Hexen auch«, informiert Karim sie. »Da muss dann noch ein Messer dran hängen. Oder ein Dolch, oder wie heißt so was. In so einem kleinen ledernen Ding, sonst stichst du dich noch selbst.«
Lenne zuckt mit den Schultern. »Das hab ich alles nicht. Dann eben ohne Messer.«
»V ielleicht muss ich auch mal im Schrank von meinem Vater nachsehen.« Karim stöhnt. »Und sonst schminke ich mich einfach selbst ein bisschen ekelig mit massenhaft Blut und so.«
Am Vorabend weiß Karim immer noch nicht, wie er auf das Fest gehen soll. Jesse hat erzählt, dass er als Vampir geht, ganz in Schwarz und mit einem Plastikgebiss, das er aus einem Geschäft für Partyartikel hat. Karim besitzt so etwas nicht. Das Einzige, was ihm bisher eingefallen ist, wäre eine Verkleidung als Gespenst, in einem alten Bettlaken, in das Löcher für die Augen geschnitten sind. Aber das machen wahrscheinlich Dutzende von anderen Kindern auch, denen ebenfalls nichts Besseres eingefallen ist. Besonders originell wäre das jedenfalls nicht.
»Karim, gib mal deinen Teller her.«
Er sitzt am Tisch. Er hört gar nicht, was sein Vater zu ihm sagt.
»Karim, willst du keinen Salat?«
»Haben wir noch Verkleidungssachen?«, fragt er seine Mutter.
»V erkleidungssachen?«
»Ja. Früher hatten wir die. Ich brauch was für morgen Abend. Was Gruseliges. Jesse geht als Vampir und Lenne als Hexe.«
»Geh doch als Zombie.« Sein Vater lacht und schüttelt den Kopf, während er nach Karims Teller greift. »Dafür brauchst du nicht viel.
»Hä?«, fragt Karim.
»Genau.« Sein Vater nickt. »Das meine ich.«
»Wie sieht ein Zombie aus?«, will Karim wissen.
»V or allem sehr tot«, sagt seine Mutter lachend.
»Ach ja«, murmelt Karim nachdenklich. »Das sind die lebenden Toten.« Begeistert richtet er sich auf. »T oll! Schminkst du mich dann?« Endlich eine gute Idee! So schwierig ist das sicher nicht. »Du musst nur dafür sorgen, dass ich schon ein bisschen verfault aussehe.«
»Karim, wir sind beim Essen!«
»Und dann muss ich nur noch ein paar fiese alte Klamotten anziehen. Ist doch ganz einfach.«
Karim verrät nur Lenne, dass er als Zombie zu dem Fest geht, sonst niemandem.
Den ganzen Freitag schwirren die Gerüchte herum. Herr Paul kommt als Monster, behauptet Jesse zu wissen, doch ein anderer Junge widerspricht. Er hätte gehört, dass ihr Lehrer als Troll verkleidet käme. Herr Paul selbst sagt nichts und grinst nur geheimnisvoll. Auch die anderen Lehrer und Lehrerinnen geben sich sehr verschwiegen, sonst wäre es ja keine Überraschung mehr, meinen sie.
»Die Eltern vom Elternbeirat kommen auch verkleidet«, erzählt Lenne. »Sie sorgen für Gruselessen und unheimliche Getränke, habt ihr das schon gewusst? Meine Mutter macht grüne Limonade mit Obststücken drin. Das hat sie zu Hause ausprobiert, und es sieht richtig ekelig aus.«
Malika nickt. »Meine Mutter ist schon seit gestern Abend mit Lakritzschnüren beschäftigt. Ich glaub, sie versucht, Spinnen zu machen.«
»Wartet nur mal, bis ihr seht, womit mein Vater ankommt!«, ruft ein Junge, der Arne heißt. »So was Schmieriges habt ihr noch nie gesehen!«
»Nicht alles verraten, Leute!«, ruft Herr Paul. »Ich brauche übrigens noch ein paar Kinder, die nach der Schule dableiben und beim Dekorieren helfen.«
Lenne und Karim heben sofort die Hände.
Die Schule ist schon um drei Uhr aus, das Fest beginnt aber erst um sieben Uhr abends. In diesen Stunden wollen sie gerne bei der Vorbereitung helfen, dann vergeht die Zeit schneller.
Hier und da muss noch etwas herbeigeschleppt werden, und es sind noch Sachen aufzuhängen. In der Schulhalle müssen Tische zusammengeschoben werden, damit dort alles aufgebaut werden kann, was es zu essen und zu trinken gibt. Verziert werden die Tische mit schwarzem und orangem Krepppapier. Girlanden aus demselben Material werden an der Decke aufgehängt, aber nicht in schönen Bogen wie bei einem Kinderfest. Sie hängen in ausgefransten schwarzen Büscheln von der Decke, als würde man sich gleich in einem riesigen Spinnennetz verfangen. Einige Eltern haben Kürbisse auf dieselbe Art
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